Allgemein

Der gerechte Krieg 1933 – 1945



Der 2. Weltkrieg ist nicht ausgebrochen, weil Nationen wie im 1. Weltkrieg hineingestolpert sind, sondern weil sich die Nationalsozialisten berufen fühlten, ihre Ideologie der Welt aufzuzwingen. Hitlers persönlicher Zeitgeist bestand aus einem Ringen der Rassen um Lebensraum. In der Nazi-Terminologie war der „Jüdische-Bolschewismus“ der Hauptfeind, den es zu vernichten galt. Auf diesen Kampf richtete Hitler seine Politik aus, die in drei Phasen unterteilt werden kann.

1933 – 1938 Revision des Versailler Vertrags und Wiederherstellung Deutschlands als Großmacht. Quasi der Aufmarsch für seine eigentlichen Absichten: Den ideologischen Krieg gegen den Klassenfeind Sowjetunion und die Eroberung von „Lebensraum“.

1939/1940 Irritation wegen der Weigerung Polens, Danzig aufzugeben und eine exterritoriale Autobahn durch den polnischen Korridor zu gestatten. Ohne die Gleichschaltung oder Beseitigung Polens wäre ein Eroberungskrieg gegen die Sowjetunion geographisch kaum möglich. Daher der Überfall auf Polen, der zum Krieg mit den Westmächten Frankreich und England führt. Nach dem (überraschenden) Sieg über Frankreich und der Erkenntnis, dass eine Invasion Englands nicht möglich ist, Wiederaufnahme des ursprünglichen Plans.

1941 – 1945 Ideologischer Krieg gegen die UdSSR und Holocaust. Das wahre Ziel des Nationalsozialismus.

1936 – Lebensraum und Kriegsvorbereitung

Die Machtergreifung Hitlers fiel in genau die Phase, in der sich die Wirtschaft der Weimarer Republik langsam erholte. Die negativen Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise gingen zurück und staatliche Subventionen sorgten für Lohn und Brot. Diese Verbesserung wurden von den Deutschen fälschlicherweise direkt mit der Machtübernahme Hitlers verknüpft, obwohl tatsächlich die Maßnahmen seiner Vorgänger zu wirken begannen.

Aufgrund der schlechten Ernte des Jahres 1935 ergab sich erneut ein wirtschaftlicher Engpass. Statt wertvolle Devisen auf dem Weltmarkt für die Versorgung der Bevölkerung auszugeben, entschied sich Hitler, die knappen Devisen in die Aufrüstung zu investieren. Das Problem der Versorgung der Deutschen sollte nicht auf dem Weltmarkt gelöst werden, sondern mit „Lebensraum“. Mit mehr Agrarfläche und Ressourcen sollte die deutsche Wirtschaft autark werden und nicht – wie im 1. Weltkrieg – durch eine Seeblockade in die Knie gezwungen werden können. Die Vision einer Autarkie entsprach den sozialdarwinistischen Gedankengut der Nationalsozialisten.

Eine Alternative wäre ein Wiedereinstieg in den Weltmarkt gewesen. Dafür hätte Hitler die Währung abwerten müssen, damit deutsche Güter günstiger und der Export belebt werden würde. Nach der Erfahrung der Hyperinflation in den Nachkriegsjahren wollte er aber kein Risiko eingehen. Zumal eine solche Maßnahme destabilisierend wirken konnte, wobei er gerade dabei war, seine Macht zu konsolidieren. Der Bedarf an Ressourcen und Rohmaterialien wurde statt dessen durch bilaterale Verträge mit Ländern in Südosteuropa (Rumänien, Ungarn) gedeckt, die sich in deutschen Fertigprodukten bezahlen ließen.

Im Kontext einer weiteren Ressourcen-Frage, nämlich der Stahl-Allokation zwischen der Marine und dem Heer, offenbarte Hitler am 5. November 1937 der militärischen und politischen Führung seine Expansionspläne. Überliefert ist hiervon die Hoßbach-Niederschrift mit folgendem Zitat:

„Das Ziel der deutschen Politik sei die Sicherung und die Erhaltung der Volksmasse und deren Vermehrung. Somit handele es sich um das Problem des Raumes. […] Zur Lösung der deutschen Frage könne es nur den Weg der Gewalt geben, dieser niemals risikolos sei. […] Stelle man an die Spitze der nachfolgenden Ausführungen den Entschluss zur Anwendung von Gewalt unter Risiko, dann bleibe noch die Beantwortung der Fragen ‚wann‘ und ‚wie‘.“ Hitler, 5. November 1937

Hitler wollte bis spätestens 1943/45 diese Frage geklärt haben. Danach würden anderen Nationen ebenfalls aufgerüstet haben und er selbst sei ggf. schon zu alt, um einen Eroberungskrieg zu forcieren. Sollten soziale Unruhen in Frankreich oder ein anderer Krieg die französische Armee beschäftigen, wäre auch ein Einschreiten vor 1943 denkbar. In jedem Falle müsse seiner Meinung nach vor einem Krieg im Osten, Tschechien ausgeschaltet und Österreich absorbiert sein, um die Süd-Ost Flanke des Reiches zu schützen. Entsprechend waren der „Anschluss“ Österreichs am 12. März 1938 sowie die „Zerschlagung“ der Tschechoslowakei Hitlers erste außenpolitischen Ziele.

Exkurs – Lebensraum

Lebensraum Phantasien mit einem sozialdarwinistischen Anstrich wurden schon vom Alldeutschen Verband während der Kaiserzeit propagiert. Als die kaiserliche Reichswehr im 1. Weltkrieg große Gebiete Russland besetzt hatte, schuf General Ludendorff mit dem Bezirk „Ober-Ost“ eine Art Militärstaat, der die Region schonungslos ausgebeutete. Ludendorff entpuppte sich hierbei als nationalsozialistischer Vordenker, der eine Blaupause für Hitlers Ostpolitik entwarf. Insbesondere seine Definition eines slawischen Chaos, das nur unter deutscher Knute gebändigt werden könne, gab einen ersten Vorgeschmack auf den nationalsozialistischen Herrenmenschen.

Ein späterer Freund Ludendorffs wirkte zur gleichen Zeit am Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich mit. Oberst Friedrich Bronsart von Schellendorf soll als Teil der deutschen Militärmission in der Türkei eine treibende Rolle an der Deportation der Armenier 1915/1916 eingenommen habe. Den Armenier wurden ebenso die Schuld am desolaten Zustand des osmanischen Reiches (der kranke Mann am Bosporus) gegen, wie zwanzig Jahre später der jüdischen Bevölkerung Deutschlands an dem verlorenen 1. Weltkrieg (Dolchstoßlegende).

Als nach der russischen Revolution das Zarenreich zusammenbrach, wurde mit der Sowjetunion als dem Nachfolgestaat der Frieden von Brest-Litowsk geschlossen. In der Ukraine entstand ein unabhängiger Staat, der mit den Mittelmächten separate Friedensgespräche führte, die im sogenannten „Brotfrieden“ mündeten. Die Ukraine, aufgrund ihrer fruchtbaren Böden auch als „Kornkammer Europas“ bezeichnet, versprach den Mittelmächten dringend benötigte Lebensmittel zu liefern, im Gegenzug für militärischen Beistand gegen die Sowjetunion.

Die nach dem 1. Weltkriegs aus dem Osten zurückkehrenden deutschen Offiziere brachten die Behauptung mit, dass die Slawen ein schwaches Volk seien und auf guten Agrarboden siedelten. Die zukünftigen Nazis hörten sich solche Geschichten gern an. Nachdem Heinrich Himmler den Vortrag des Offiziers Rüdiger von der Goltz mit dem Titel „Finnland, Baltikumfeldzug und Ostfragen“ gehört hatte, notierte er in seinem Tagebuch:

„Das weiß ich bestimmter jetzt als je, wenn im Osten wieder ein Feldzug ist, so gehe ich mit. Der Osten ist das Wichtigste für uns. […] Im Osten müssen wir kämpfen und siedeln.“ Heinrich Himmler am 21. November 1921

Militärbezirk Ober-Ost im 1. Weltkrieg

Führender Ideologe der Nationalsozialisten war der in Russland geborene Alfred Rosenberg. 1917 erlebte er in Moskau die russischen Revolution mit. Das daraus resultierende Chaos zementierte seinen Antisemitismus sowie eine tiefe Abneigung des Bolschewismus. Er wollte zuerst nach London emigrierten, wo jedoch sein Visumantrag abgelehnt wurde. So kam er nach München, wo er Hitler kennenlernte. Ab 1920 trugen seine Schriften zu einer Verschärfung der Judenfeindlichkeit in Deutschland bei. Er wurde nach Hitlers Machtergreifung zum „Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP“. In dieser Rolle setzte er seine Macht und Befugnisse ein, um den Antisemitismus zu befeuern. In der Polykratie des 3. Reiches wurden ihm dabei keine Grenzen gesetzt.

1938 – Münchner Abkommen und Tschechien

In der Münchner Konferenz im September 1938 geben die westlichen Alliierten Hitlers territorialen Forderung nach. Im Kontext der Appeasement-Politik wird das überwiegend deutsch besiedelte Sudetenland dem Deutschen Reich zugesprochen. Die Zerschlagung der Rest-Tschechoslowakei am 15. März 1939 ist jedoch ein Bruch eben dieses Abkommens und schockiert die Vertragspartner, die nun einsehen, dass man mit Hitler nicht verhandeln kann. Als direkte Reaktion schließen England und Frankreich – auf der Suche nach einem (verspäteten) Signal der Stärke – am 30. März 1939 mit Polen einen Beistandsvertrag. Mit der Garantie der polnischen Unabhängigkeit sollen weiteren Forderungen Hitlers Einhalt geboten werden – notfalls mit einer signalisierten Kriegsbereitschaft.

Mit dem Bruch des Münchner Abkommens hatte sich Hitler-Deutschland diplomatisch diskreditiert. Warum Hitler dieses diplomatische Risiko trotzdem einging, könnte in der Angst begründet sein, dass die Rest-Tschechoslowakei auf der Suche nach verlässlicheren Verbündeten in das sowjetische Lager wechseln könnte. Dann würde das Gebiet wie ein „russischer Flugzeugträger“ tief in das deutsche Kernland ragen – ein Alptraum für Hitler. Mit der Schaffung des Protektorats Böhmen und Mähren war die Süd-Ost-Flanke des III. Reiches gesichert, was die Voraussetzung für sein eigentliches Ziel ist: Einen Angriff auf die Sowjetunion.

In seinem Buch „Appeasing Hitler“ verurteilt der britische Historiker Tim Bouverie die Appeasement Politik. Der damalige britischen Botschafter Horace Rumbold in Berlin hatte Hitlers „Mein Kampf“ gelesen und schickte entsprechende Warnungen vor einer Expansionspolitik des III. Reiches nach London, die aber wirkungslos blieben. Leider ging er bereits im Juni 1933 in den Ruhestand und somit blieben weitere Warnungen aus, auch weil andere Diplomaten darauf verzichteten, Hitlers Buch „Mein Kampf“ zu lesen. Neville Chamberlain Irrtum bestand darin, anzunehmen, dass Hitler ein Politiker war, mit dem man einen Kompromiss verhandeln konnte. Hitler dachte jedoch nicht in Staaten, sondern nur in Rassen.

Europa vor der Annexion der Rest-Tschechoslowakei im März 1939 © Cyowari

1939 – Polen und Danzig

Im Versailler Vertrag wurden Polen ehemalige Gebiete des Deutschen Reiches zugesprochen. Einerseits, weil in diesen Gebieten überwiegend Polen (Posen) lebten und andererseits, um dem neugegründeten polnischen Staates einen Zugang zur Ostsee (Westpreußen) zu ermöglichen. Dieser polnische Korridor trennte die Provinz Ostpreußen vom Rest des deutschen Staats. Zugleich lebten nun ca. 700.000 Deutsche als Minderheit in dem neuen polnischen Staat, was wiederholt zu Spannungen führte. Insbesondere um die „Freie Stadt Danzig“ wurde gestritten, da jede Partei danach strebte, die autonome Hafenstadt in seinen Herrschaftsbereich zu ziehen. Hitler wollte mit einer Reihe von Forderungen (Anschluss Danzigs, exterritoriale Autobahn durch den polnischen Korridor, Volksentscheid in Westpreußen) diese Zustände zu seinen Gunsten verändern.

Polnischer Korridor – Zankapfel zwischen Deutschland und Polen.

Die Behandlung der deutschen Minderheit in Polen sowie der Verbleib Danzigs hatten zum damaligen Zeitpunkt einen starken Einfluss auf den deutschen Zeitgeist. Hitler nutzte dies für seine Zwecke – der militärischen Aufrüstung. Mit dem Gesetz zum Aufbau der Wehrmacht vom 16. März 1935 sollte aus der laut Versailler Vertrag auf 100.000 Mann begrenzten Reichswehr eine größere und moderne Armee geschaffen werden.

Eigentlich hatten zu dieser Zeit das III. Reich und Polen einiges gemeinsam. Die polnische Republik war auch nach dem Tod des als Diktator regierenden Józef Piłsudski ein autoritär geführter Nationalstaat. Es hatte mit dem Zwischenmeer Konzept eigene imperiale Ziele und war mit der Sowjetunion verfeindet. 1920 konnte ein Vormarsch der Roten Armee erst kurz vor Warschau, beim sogenannten Wunder an der Weichsel, gestoppt werden. Die beiden Diktatoren Hitler und Piłsudski kamen gut miteinander aus und schlossen am 26. Januar 1934 einen polnisch-deutschen Nichtangriffspakt. Anlässlich der Trauerfeier zum Tode Piłsudskis existiert ein etwas unwirklich erscheinendes Foto, das Hitler vor einer polnischen Fahne zeigt.

Trauerfeier zu Ehren von Józef Piłsudski, der am 12. Mai 1935 verstarb

Die Verhandlungen zur „Lösung aller strittigen Fragen“ zwischen Polen und Deutschland beginnen im Herbst 1938 und ziehen sich in die Länge. Deutsche Forderungen sind die Wiedereingliederung Danzigs in das Deutsche Reich sowie eine exterritoriale Autobahn durch den polnischen Korridor. Als Gegenleistung sollte die deutsch-polnische Grenze anerkannt werden, was bisher kein Reichskanzler der Weimarer Republik getan hatte. Der deutsch-polnischen Nichtangriffspakts würde auf weitere 25 Jahre verlängert werden.

Polen wusste trotz der Gemeinsamkeiten, dass es nach der Preisgabe Danzigs und einer exterritorialen Autobahn durch den polnischen Korridor seine eigenen außenpolitischen Ziele begraben konnte. Es würde als Juniorpartner zu einem Satelliten Deutschlands degradiert werden, ähnlich der Slowakei. Wollte man unabhängig bleiben, musste man sich gegen das III. Reich behaupten – ähnlich wie es bereits 1920 an der Weichsel gegen die Sowjetunion gelungen war. Zugleich war es illusorisch, sich alleine gegen das Deutsche Reich zu stellen, dessen Wirtschaftsleistung 1938 die der meisten europäischen Nationen überragte.

Deshalb verzögerte Polen eine klare Antwort und ging auf die meisten Angebote Hitlers nicht ein – was zwei zusammengefasste Protokolle zeigen:

a) Am 5. Januar 1939 besucht der polnischen Außenminister Józef Beck auf dem Berghof Adolf Hitler und ist überrascht über dessen Forderung, Danzig wieder dem Deutschen Reich anschließen zu wollen. Hitler garantiert den übrigen Grenzverlauf, wenn man sich über den Status Danzigs einig werde. Beck vermeidet es, eine klare Antwort zu geben und verweist darauf, dass die polnische Öffentlichkeit gegen jegliche Änderung des Status Danzigs sei.

b) Am 26. Januar 1939 fliegt der deutsche Außenminister Joachim von Ribbentrop nach Warschau um Józef Beck zu treffen und wiederholt Hitlers Forderung vom 5. Januar. Beck erwidert, dass er bereit sei, das Angebot zu bedenken, was Ribbentrop als diplomatische Absage versteht.

Hitlers Bruch des Münchner Abkommens befreite Polen aus seiner unbequemen Position, in der es die deutschen Forderungen weder annehmen, noch ablehnen konnte. Der polnische Zeitgeist war überzeugt, dass Hitler es nach der Beistandserklärung Frankreichs und Englands nicht wagen würden, anzugreifen. Und falls doch, müsse man lediglich so lange aushalten, bis die Alliierten ihrem Versprechen gemäß zur Hilfe eilen würden. Daher wurden am 23. März 1939 die deutschen Forderungen endgültig abgelehnt.

Polen hatte die Wahl, entweder als Satellitenstaat Nazi-Deutschlands zu enden oder in die Einflusssphäre Stalins zu geraten, der Frankreich und England angeboten hatte, mit einer Million Soldaten Deutschland angreifen zu können, insofern die Rote Armee durch Polen marschieren dürfe. Ob die Rote Armee sich später auch wieder aus Polen zurückziehen würde, stand auf einem anderen Blatt, und dies war Jozef Beck bewusst. Somit entschied sich Polen – eingekeilt zwischen zwei Großmächten – auf die Variante mit dem besten Ausblick und zugleich den geringsten Gewinnchancen: Beiden Nachbar-Großmächten eine Absage erteilen und auf den Schutz der Westalliierten hoffen.

Mit der Garantieerklärung an Polen vom 31. März 1939 zogen die Alliierten eine rote Linie. Hitlers ideologischen Ziele (Lebensraum im Osten, Krieg dem Jüdischen-Bolschewismus) waren blockiert. Er hatte nun die Wahl sich a) damit abzufinden b) eine günstigere internationale Situation abzuwarten, um die Verhandlungen wieder aufzunehmen oder c) die rote Linie zu überschreiten. Hitlers vom Rassenwahn und Vorsehung besessene Persönlichkeit ließ keine andere Option als c) zu. Er sah sich berufen, den Kampf der Rassen innerhalb seiner Lebensspanne auszuführen.

Der Pakt mit dem Erzfeind

Hitler zieht eine weitere Option aus dem Hut und wechselt den Kurs. Zur Überraschung der Weltbühne schließt er ein Bündnis mit seinem Erzfeind Stalin – inklusive eines geheimen Zusatzvertrags, der die vierte Teilung Polens beschließt. Am 1. September 1939 überfällt die Wehrmacht ohne vorherige Kriegserklärung Polen. Nach einem Ultimatum folgt wenige Tage später die Kriegserklärung Englands und Frankreichs. Polen muss sich trotz tapferer Gegenwehr und ohne nennenswerte Hilfe der Alliierten nach drei Wochen geschlagen geben. Obwohl im September 1939 an der Westfront 110 alliierte Divisionen gegen 28 deutsche Divisionen stehen, tuen Engländer und Franzosen nichts Signifikantes, um Polen zu helfen. Somit geht Hitlers Wette teilweise auf, dass die Alliierten nicht für seine Überschreitung der roten Linien in den Krieg ziehen würden, da weder Franzosen noch Engländer den hart bedrängten Polen zur Hilfe kommen. Jedoch befindet sich Deutschland nun im Kriegszustand mit den Westalliierten, auch wenn es noch keine nennenswerten militärischen Kollisionen gibt.

Als Stalin den Osten Polens besetzen lässt, erfolgte keine Kriegserklärung der West-Alliierten an die UdSSR, obwohl es eigentlich im Kontext des Beistandsvertrags eine logische Konsequenz gewesen wäre. Als der Krieg 1945 endet, lassen die Alliierten die polnische Exil-Regierung in London fallen und gewähren Stalin freie Hand in Polen. Somit war die Garantie der Unabhängigkeit Polens nur ein Lippenbekenntnis. Ohne die vermeintlichen Zusicherungen der West-Alliierten im März 1939 wäre Polen eher geneigt gewesen, sich mit NS-Deutschland zu einigen. Die Geschichte hätte eventuell einen anderen Verlauf genommen. Höchstwahrscheinlich jedoch keinen besseren, da die Siegeschance Hitlers gegen die Sowjetunion mit Polen als Vasall und ohne einen Kriegszustand mit den Westalliierten besser gewesen wären.

Daher ist die Weigerung Polens, sich den Forderungen Hitlers zu fügen, eine Weggabelung zum Untergang des NS-Regimes. Die von Hitler gewünschte Koalition eines unter deutscher Führung geführten Kreuzzugs Westeuropas gegen den jüdischen Bolschewismus im Osten wurde auf den Kopf gestellt. Plötzlich befand sich Hitler mit dem Westen im Krieg und war mit Stalin, seinem Erzfeind im Osten, verbündet.

1940 – Frankreich und Dünkirchen

Frankreich wollte diesen Krieg nicht. Die Schrecken und Opfer des 1. Weltkriegs standen allen noch deutlich vor Augen. Es musste jedoch als Verantwortlicher der harschen Konditionen des Versailler Vertrags früher oder später auch dafür einstehen. Dies hätte es bereits im März 1936 mit einem Widerstand gegen die Besetzung des Rheinlands tun können und damit Hitlers Karriere einen gewaltigen Dämpfer verpasst. Es hätte eine einzige französische Division in Marsch gesetzt werden müssen, denn die deutschen Soldaten hatten Befehl, bei der geringsten Gegenmaßnahme das Rheinland sofort wieder zu räumen. Die Geschichte wäre sicherlich anders verlaufen. Frankreich wollte aber nicht ohne die Mithilfe Englands eingreifen und in London herrschte die Stimmung, dass Hitler lediglich in seinen eigenen „Vorhof“ einmarschiert. Der Zeitgeist in London war gewillt, dem Frieden willens einige der harten Bedingungen des Versailler Vertrags zurückzunehmen.

Zu dem Zeitpunkt als Frankreich nach dem Überfall auf Polen dem Deutschen Reich den Krieg erklärte, war die Wehrmacht aufgerüstet und modernisiert. Der sogenannte Sitzkrieg begann. Selbst alliierte Luftangriffe wurden aus Angst vor Vergeltung durch die Luftwaffe verworfen.

Als nun der von Manstein und Guderian ausgearbeitete Sichelschnittplan im Frühjahr 1940 in die Tat umgesetzt wurde, wurden die alliierten Truppen regelrecht überrumpelt. Wie so oft setzte das deutsche Militär alles auf eine Karte. Doch diesmal ging die Wette mit einem schnellen Vorstoß durch die eigentlich unwegsamen Ardennen auf. Zu der damaligen Zeit war die französische Armee eine der größten der Welt. Niemand dachte, die Wehrmacht hätte eine Chance bei einem Frontalangriff. Die französische Armee hatte jedoch zwei Schwächen: 1. Eine veraltete Luftflotte und kaum erfahrene Piloten, um es mit der deutschen Luftwaffe aufnehmen zu können. Und 2. verzichteten die französischen Streitkräfte auf Funk und nutzten für die Kommunikation zwischen Frontlinie und Hauptquartier stattdessen Meldeläufer und Brieftauben – wie im 1. Weltkrieg. Es mangelte ihnen nicht an Funkgeräten, sondern sie befürchteten, dass die Deutschen den Funk abhören könnten und verzichteten deshalb auf diese moderne Technologie. Die mangelnde Geschwindigkeit in der französischen Kommunikation (und somit Koordination) begünstigte den schnellen Sieg der Wehrmacht über Frankreich.

Das britische Expeditionsheer und einige französische Truppen wurden in Dünkirchen eingeschlossen. Hitler ließ die Panzer jedoch anhalten. Die Ausfälle bei Mannschaft und Panzern häuften sich. Zu diesem Zeitpunkt standen die Angriffsspitzen schon seit Wochen im Dauereinsatz, weshalb eine Pause zwecks Reparatur und Logistik nötig war. Außerdem wurde Hitler nervös, dass die deutschen Streitkräfte den gleichen Fehler begingen, wie im 1. Weltkrieg, als ein zu schneller Vormarsch die Truppen erschöpfte und sich eine Lücke in der deutschen Front auftat, die der Gegner für einen Gegenstoß nutzte.

Es konnte jedoch niemand ahnen, mit welch großem Erfolg die Alliierten Dünkirchen evakuieren würden. In Summe wurden 338.226 Soldaten (85% des britischen Expeditionsheers) unter Zurücklassung der Ausrüstung nach England verschifft. Für die Alliierten ein Sieg in der Niederlage. Einige Jahre später kämpfen eben diese Truppen in Afrika, Sizilien und der Normandie gegen Nazi-Deutschland. Es wurde viel darüber spekuliert, ob England den Krieg fortgesetzt hätte, wenn Hitler die Panzer nicht gestoppt hätte und das Expeditionsheers in Gefangenschaft geraten wäre. Glaubt man der sehr lesenswerten Biografie, die Sebastian Haffner über Winston Churchill geschrieben hat, hätte er als Premierminister selbst dann keinen Frieden mit Hitler geschlossen.

Evakuierung britischer und französischer Truppen in Dünkirchen, Mai 1940

Der schnelle Sieg über Frankreich vereitelte jedoch die Ausführung eines alliierten Plans, der den Ausgang des 2. Weltkrieges hätte beeinflussen können. Im Gamelin-Plan wollten Franzosen und Briten die sowjetischen Ölfelder in Baku bombardieren, um somit die Deutsche Kriegsindustrie zu schwächen. Im Grenz- und Freundschaftsvertrag vom 28. September 1939 besiegelte die Sowjetunion die Kooperation mit dem Deutschen Reich und versorgte es mit Rohstoffen. Die Ausführung des Plans war für Ende Juni / Anfang Juli 1940 vorgesehen und die Bomber standen schon bereit. Der Westfeldzug im Mai machte die Operation obsolet. Ob nach dem geplanten Luftangriff die UdSSR auf Seiten des Deutschen Reiches gegen die Westmächte in den Krieg eingetreten wäre, bleibt offen. Unwahrscheinlich ist es allerdings nicht. Dies hätte es Hitler schwerer gemacht, seine Obsession eines Eroberungskriegs im Osten durchzusetzen.

Battle of Britain

Der Versuch England zu erobern wurde nach der verlorenen Luftschlacht um England aufgegeben. Die Royal Air Force konnte nicht niedergerungen werden, was jedoch die Voraussetzung für eine maritime Invasion gewesen wäre. Statt sich ausschließlich auf die Landeplätze zu konzentrieren, wurden auch englische Großstädte bombardiert. Das gab der Royal Air Force (RAF) die nötige Zeit, sich zu erholen und die beschädigten Landebahnen sowie Hangar zu reparieren. Des Weiteren konnten die Engländer die verlorenen Maschinen durch eine erhöhte Produktion ersetzen. England war aber von Anfang an nicht das Ziel von Hitlers Lebensraum-Strategie. Somit sah er mit einem zwar verfeindeten, aber isolierten England die Zeit gekommen, sein ursprüngliches Ziel wieder aufzunehmen.

Ein deutscher Bomber über London, September 1940

Interessanter Artikel: Britische Mathematiker haben ein alternatives Szenario errechnet, demnach die Briten die Luftschlacht um England verloren hätten, wenn die Luftwaffe ihre Angriffe drei Wochen früher gestartet und sich ausschließlich auf die Landeplätze konzentriert hätte. Es handelt sich jedoch um ein Rechenmodell und nach Clausewitz ist keine Schlacht klar berechenbar.

Die britische Industrie konnte die Verluste an Flugzeugen ersetzen und da die britischen Piloten nach einem Treffer über der Heimat abspringen konnten, erhielten sie direkt eine neue Maschine. Die deutschen Piloten, die rechtzeitig aussteigen konnten, gerieten hingegen in Gefangenschaft.

Das III. Reich verlor laut Statista 1.887 Maschinen, während die Verluste bei der Royal Air Force hingegen bei 1.023 Flugzeugen lagen. Drastischer ist jedoch der Unterschied beim Personal: Während die Royal Air Force 544 Piloten verloren hat, sind 2.600 Angehörige der deutschen Luftwaffe gefallen oder wurden gefangen genommen, da insbesondere die deutschen Bomber inklusive einer mehrköpfigen Besatzung abgeschossen wurden. Diese Piloten waren für die Luftwaffe in den folgenden Monaten kaum zu ersetzen.

LuftwaffeRoyal Air Force
Piloten4.0001.300
davon Verluste2.600544
Flugzeuge zu Beginn3.000650
Flugzeuge zerstört1.8871.023

Quelle Statista

Eine militärische Invasion Englands war schier unmöglich. Es gab zu viele Wetten: Auf das Niederringen der Royal Air Force, auf eine geglückte maritime Invasion usw. Dafür ist Englands geographische Lage als Insel zu ideal. Auf der anderen Seite war ein Verhältnis von ca. 650 englischen Flugzeugen zu über 3.000 Deutschen bei Beginn der Luftschlacht zu verlockend, um die Wette nicht einzugehen.  Im Nachhinein wäre es aus rein militärischer Sicht sinnvoller gewesen, die Nachteile einer Insellage ins Auge zu fassen, statt sich mit deren Vorteilen zu konfrontieren:

Großbritannien war an zwei Stellen verwundbar:

Insel-Lage: Es musste einen Großteil seiner Rohstoffe (den kompletten Erdöl-Bedarf) importieren und die Insellage macht die Versorgungswege angreifbar für U-Boote. Admiral Dönitz begann 1936 mit dem Ausbau der deutschen U-Boot Flottille. Er forderte Ressourcen und Mittel, um ca. 300 U-Boote herzustellen. Mit dieser Anzahl hätte man England signifikant schaden könnten. England war jedoch in Hitlers Weltanschauung nicht der Erzfeind, sondern ein „germanisches Brudervolk“, weshalb er eine massive Aufrüstung mit U-Booten für unnötig hielt. Zum Zeitpunkt des Kriegsausbruchs waren somit nur ca. 50 U-Boote einsatzbereit. Nach dem Krieg sagte Churchill, dass die deutschen U-Boote seine größte Sorge gewesen sind.

Suez-Kanal: Durch den Suez-Kanal floss ein Großteil der Ressourcen aus den asiatischen Kolonien und Indien. Wäre Suez in feindlicher Hand, müsste der gesamte Schiffsverkehr über die weitaus längere Route um das Kap der Guten Hoffnung geleitet werden. Im Juni 1940 war die britische Militärpräsenz in Ägypten recht gering und die italienischen Kontingente in Libyen waren zahlenmäßig überlegen. Der italienische „Duce“ Benito Mussolini prahlte bereits vor Hitler, dass er Ende Juli in Kairo einrücken würde. Es war wahrscheinlich ein schlechtes Vorzeichen, dass der italienische Marschall Balbo, der den Angriff ausführen sollte, mit seinem Flugzeug bei Tobruk von eigenen Geschützen abgeschossen wurden. Sein Nachfolger Marschall Graziani verzögerte den Angriff und gab Mussolini gegenüber immer neue Ausflüchte, warum er den kurzweiligen Vorteil nicht ausnutzen konnte. Hitlers Angebot, deutsche Truppen zur Eroberung des Suez-Kanals zu Verfügung zu stellen, lehnte Mussolini aus Ehrgefühl ab, da er die Schlagkraft der italienischen Truppen unter Beweis stellen wollte. In der Zwischenzeit verstärkten die Birten ihre Truppen in Nordafrika, so dass die Italiener selbst bald unterlegen waren. (Vgl. Ian Kershaw, Wendepunkte, S. 207). Der Autor Joachim Käppner beschreibt in seinem Buch „1941. S. 116 ff.“ sehr anschaulich, dass die Italiener nicht so kriegsbegeistert waren, wie ihr faschistischer Führer Mussolini es gern gehabt hätte. Außerdem mangelte es an moderner Ausrüstung, weshalb die italienischen Kriegsanstrengungen nicht sonderlich erfolgreich waren. In zwei britischen See-Operationen (Luftangriff auf Tarent am 12. November 1940 und die Schlacht bei Kap Matapan vom 28. März 1941) wurde die italienische Mittelmeerflotte zusammengeschossen, wobei die Briten in Summe drei Flugzeuge verloren. Mussolini Idee eines „mare nostrum“ versank auf den Meeresgrund des Mittelmeers.

Rommel konnte zwar mit seinem Afrikakorps die britische Offensive in Libyen zurückdrängen, jedoch wurden seine Bitten nach weiterer Verstärkung von Hitler ignoriert. Inzwischen hatte die Wehrmacht die Sowjetunion überfallen und Afrika war zu einem Nebenkriegsschauplatz geworden.

Churchill setzte den Bestand des britischen Empires ein, um einen Sieg Nazi-Deutschlands zu verhindern. In der entscheidenden Zeit nach der Kapitulation Frankreichs am 22. Juni 1940 bis Mitte 1941 war er der Einzige, der Hitler Paroli bot. Der Preis dafür war die Umstellung der englischen Exportwirtschaft auf eine Kriegswirtschaft sowie die Ausbeutung der Kolonien. Allein Indien lieferte Unmengen an Rohstoffen und stellte mit über 2 Millionen Soldaten die größte „Freiwilligen-Armee“ unter britischer Flagge. Nach dem Kriegseintritt der UdSSR und der USA wurde England zum Juniorpartner. Churchills Mittelmeerstrategie, die einen Vorstoß der Alliierten über Italien nach Süddeutschland vorsah, scheiterte am zähen Widerstand der Wehrmacht bei Monte Cassino und wurde von den USA zugunsten einer Landung in der Normandie aufgegeben. Das Interessante an der Mittelmeerstrategie ist, dass sie bei Gelingen auch ein Vordringen der Roten Armee nach Mitteleuropa verhindert hätte (Vgl. Sebastian Haffner, Winston Churchill, S. 156). England ging zwar als Sieger aus dem 2. Weltkrieg hervor, hatte aber dafür seine Wirtschaft nachhaltig ruiniert und das britische Kolonialreich destabilisiert. 1947 erklärte sich Indien, das britische Kronjuwel unter den Kolonien, für unabhängig.

1941 – Krieg gegen die Sowjetunion

Stalin hatte die Bedingungen des Hitler-Stalin Pakts akribisch erfüllt. Bianka Pietrow-Ennker schreibt in ihrem Buch „Präventivkrieg?“ dass die Sowjetunion Ende 1940 sogar einen Beitritt zum Dreimächtepakt, eines gegen Großbritannien gerichteten Kontinentalblocks unter Beteiligung Deutschlands, Italiens und Japans ernsthaft in Betracht zog (S. 88). Deshalb befand sich der sowjetische Außenminister Molotow vom 12. bis zum 14. November 1940 zu Sondierungsgesprächen in Berlin. An zwei Punkten fuhren sich allerdings die Gespräche fest: Stalin wollte Finnland in die Sowjetunion eingliedern und die Türkei aufspalten (Vgl. Präventivkrieg? S. 113 ff.)

Molotov in Berlin, November 1940

Molotov reiste wieder ab und die Klärung der offenen Punkt wurde vertagt, jedoch bekam der Kreml keine Antwort mehr auf seine Forderungen aus Berlin, da dort am 18. Dezember Hitlers „Weisung Nr. 21“ für die Vorbereitung eines Überfalls auf die UdSSR erging. Stalins Ziel war es, im Krieg neutral zu bleiben und von einer Neuordnung in der Nachkriegszeit zu profitieren. Aus der Neutralität heraus konnte er die Sowjetunion expandieren (Bessarabien, baltische Staaten, Ostpolen), da die anderen Großmächte zu abgelenkt waren, um intervenieren zu können.

Ebenso wusste er, dass die Rote Armee 1941 der siegreichen Wehrmacht nicht gewachsen war. Die politischen Säuberungen hatten die Roten Armee nachhaltig geschwächt, der es nun an kampferprobten Offizieren fehlte. Im Winterkrieg gegen Finnland wurden die Schwächen der Roten Armee überaus deutlich, als ein sowjetischer Überfall auf Finnland in einer militärischen Blamage endete.

Hitlers erklärtes Feindbild war die Sowjetunion als das ideologische Gegenbild zu seiner nationalsozialistischen Bewegung. In seiner monokausalen Gedankenwelt konnte nur eine Ideologie und auch nur eine Rasse überleben. Daher war ein Vernichtungskrieg gegen die UdSSR Hitlers primäres Ziel. Mit Hitler an der Macht gab es für Deutschland keine Alternative zu einem Krieg mit der Sowjetunion. Hinzu kam der Zeitgeist, der den Blick auf die UdSSR trübte:

  1. Die UdSSR führte gerade einen demütigenden Krieg gegen Finnland, in dem sie empfindliche Verluste gegen eine vergleichbar kleine Nation hinnehmen musste.
  2. Stalins politischer Säuberung innerhalb der Roten Armee fielen ca. 70 bis 80% der ranghöheren Offiziere zum Opfer. Das Oberkommando wurde sogar komplett ausgelöscht.
  3. Das III. Reich brauchte Ressourcen, insbesondere das für die Kriegsmaschine unabdingbare Erdöl. Russland ist reich an Rohstoffen und schien zu diesem Zeitpunkt eine leichte Beute zu sein.
  4. Deutschland hatte bereits im 1. Weltkrieg Russland besiegt (auch wenn es eher im Zuge der bolschewistischen Revolution implodiert war).
  5. Die UdSSR war dabei aufzurüsten. Somit war eine gewissen Eile geboten.

Die Wehrmacht hatte soeben innerhalb weniger Wochen Frankreich überrollt und stand auf dem Höhepunkt ihrer Schlagkraft. Wenn ein Krieg gegen die UdSSR aus ideologischen Gründen unausweichlich ist, sollte man lieber jetzt zuschlagen, bevor sich die Rote Armee von der politischen Säuberung erholt hat und weiter aufgerüstet ist. Zum Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Wilhelm Keitel sagte Hitler schon am 28. Juni 1940, also sechs Tage nach dem Waffenstillstand mit Frankreich: „Ein Feldzug gegen Russland“ sei „nur ein Sandkastenspiel“.

Dies war der deutsche Zeitgeist nach dem schnellen Sieg über Frankreich. General Franz Halder als Kopf der Planung eines Überfalls auf die Sowjetunion scheint in lauter Euphorie die logistischen Schwierigkeiten, auf die ihn sein Planungsstab hingewiesen hat, ignoriert zu haben bzw. nicht weitergetragen zu haben. Allerdings ging Halder in seinen ersten Planungsansätzen davon aus, dass die Sowjetunion lediglich zurückgedrängt werden sollte. In seinem persönlichen Kriegstagebuch vermerkt er: „Politisches Ziel – Ukrainisches Reich, baltischer Staatenbund, Weißrussland-Finnland.“ Mit einer Reihe von Pufferstaaten sollte die UdSSR geschwächt und der Einfluss des Deutschen Reiches nach Osten ausgeweitet werden. (Vgl. Artikel auf welt.de)

Am 30. März 1941 schwor Hitler in einer Rede in der Reichskanzlei ca. 250 Generälen auf den bevorstehenden „Vernichtungskampf“ im Osten ein. Der Russe sollte nicht als Kamerad wahrgenommen werden. Es gehe nicht darum, „den Feind zu konservieren“, sondern die „kommunistische Intelligenz zu vernichten“. Dies stand weder im Einklang mit den geltenden Kriegsvölkerrecht noch mit einem soldatischen Ehrenkodex. Nach der Rede gar es zwar hier und da Widerspruch gegen dieses Vorgehen, jedoch keine Konsequenzen oder gar eine Anpassung des Plans. Laut dem Historiker Wolfram Wette erfolgte damit der ideologische Schulterschluss zwischen den Nationalsozialistischen und der Wehrmacht. (Päventivkrieg, S. 50)

Da Frankreich besetzt und England auf seiner Insel isoliert war, blendete Hitler die Gefahr eines Zweifrontenkriegs aus. Wenn Russland wie geplant in wenigen Wochen besiegt ist, würden die Briten einlenken und zu Gesprächen bereit sein. Dies war es, was Hitler seinen Generälen bereits am 31. Juli 1940 im Berghof vermittelte hatte und es war der NS-Zeitgeist am Vorabend des Überfalls auf die Sowjetunion.

Barbarossa

Am 24. Juni 1941, dem selben Tag, an dem auch Napoleon mit seiner großen Armee 1812 nach Russland aufbrach, begann die Operation Barbarossa. Hitlers Armee überschritt mit 3,3 Millionen Soldaten die russische Grenze. Eigentlich war der Angriff schon Wochen vorher geplant gewesen. Die Begründung, die deutsche Unterstützung der Italiener in Griechenland war Grund für die Verschiebung ist jedoch nicht ganz richtig. Der Hauptgrund war ein ungewöhnlich verregneter Frühling 1941 und vollständig überflutete Flugplätze der Luftwaffe. Man war gezwungen, auf besseres Wetter zu warten.

Ein Erfolgskonzept der Wehrmacht war der Bewegungskrieg. Mit motorisierten Einheiten und Panzer sollte der Feind überflügelt und in Kesselschlachten aufgerieben werden. Da die Wehrmacht nach den im Versailler Vertrag auferlegten Beschränkungen (Reichswehr nur 100.000 Mann, keine Luftwaffe usw.) völlig neu aufgebaut werden musste, war sie entsprechend modern ausgestattet. Militärische Vordenker wie Heinz Guderian erkannten die Schlagkraft der mobilen Einheiten und propagierten den Einsatz von selbstständigen Panzer-Divisionen. In den anderen Armeen wurden hingegen verfügbare Panzer auf die Infanterie-Divisionen verteilt, wo sie – wie im 1. Weltkrieg – die Infanterie unterstützen sollten. Somit konnte die Rote Armee anfangs einem konzentrierten Panzerangriff der Wehrmacht nichts entgegensetzen.

Dass die Rote Armee gemäß einer Offensiv-Doktrin (also nah an der Grenze) aufgestellt war, begünstigte die schnellen Erfolge der Wehrmacht. Der russische Militärreformer Alexander Swetschin hatte in seinem Buch „Strategie“, die Vorteile einer Defensiven-Doktrin aufgeführt. Unter Ausnutzung des Raums sollte der Gegner ermattet werden, wie es bereits im 18. Jahrhundert gegen den Schwedenkönig Karl XII. und später gegen Napoleon gelungen war. Sein akademische Gegenspieler Michail Tuchatschewski war ein linientreuer Kommunist, der Swetschins Ermattungsstrategie als konterrevolutionär diffamierte und eine Offensiv-Doktrin durchsetzte. Dabei folgte er Stalins Mantra, dass Russland in der Vergangenheit genug Land verloren habe und er dies nie wieder zulassen werde. Mit diesem Leitsatz war die Vorstellung, Gebiete aufzugeben, schwer vereinbar. Beide militärische Denker sollten den „Großen Terror“ bzw. die politischen Säuberungen Stalins von 1936 bis 1938 nicht überleben, aber die Offensiv-Doktrin der Roten Armee blieb bestehen, auch wenn die Rote Armee ob ihrer Ausbildung und Ausrüstung nicht für einen Offensivkrieg gewappnet war. (Vgl. Präventivkrieg? S. 163)

Statt wie geplant sofort bei Kriegsausbruch in die Offensive zu gehen und den Krieg in Feindesland zu tragen, wurden die besten Einheiten der Roten Armee direkt an der Grenze von der Wehrmacht überrascht, eingeschlossen und entweder aufgerieben oder gefangen genommen. Wobei die Wehrmacht auch große Mengen an Ausrüstung erbeuten konnte.

Deutscher Vormarsch bis zum 30. September 1941 und mögliche Angriffsbewegungen laut Stawka


Neben der Fokussierung auf den Bewegungskrieg verlieh der Wehrmacht die Doktrin des „Gefechts der verbundenen Waffen“ zusätzliche Schlagkraft. Dabei wird der Gefechtswert durch die Kombination unterschiedlicher Truppen- und Waffengattungen erhöht (zum Beispiel: konzentrierter Panzerangriff, um die gegnerische Front zu durchbrechen sowie Stuka-Luftangriffe im Vorfeld eines Angriffs der Infanterie). Entwickelt wurde diese Doktrin von der Reichswehr unmittelbar nach den Erfahrungen des 1. Weltkriegs. Damit dieses Zusammenspiel funktioniert, werden gut ausgebildete Verbindungsoffiziere benötigt.

Als die Offensive anrollte, kam im August die Frage auf, ob zuerst Moskau, wie von dem Generalstab unter Franz Halder geplant oder Kiew, wie von Hitler gewünscht, eingenommen werden sollte. Hitler setzte sich mit dem Argument durch, die Ukraine sei die Kornkammer Russlands. Einzelne Generäle wie Heinz Guderian versuchten noch Hitler umzustimmen, jedoch ohne Erfolg und der Generalstab beugte sich Hitlers Entscheidung. Die Einnahme Moskaus im Sept./Okt. 1941 hätte einen großen moralischen Effekt gehabt, auch wenn damit der Krieg sicherlich nicht zu Ende gewesen wäre, wie es schon Napoleon 1812 erleben musste. Ohne Moskau als infrastrukturelles Herz Russlands wäre allerdings die Mobilisierung weiterer sowjetischer Divisionen schwieriger gewesen.

In Hitlers Weisung Nr. 21 (Fall Barbarossa) vom 18. Dezember 1940 erwähnte er Kiew nicht als primäres Ziel, weshalb er sich im August 1941 selbst widersprach, als er den Fokus der Wehrmacht auf die Ukraine lenkte.

„Das Endziel der Operation ist die Abschirmung gegen das asiatische Russland auf der allgemeinen Linie Wolga-Archangelsk… Der südlichen dieser beiden Heeresgruppen – Mitte der Gesamtfront – fällt die Aufgabe zu, mit besonders starken Panzer- und mot. Verbänden, aus dem Raum um und nördlich Warschau vorbrechend, die feindlichen Kräfte in Weißrundland zu zersprengen. Dadurch muss die Voraussetzung geschaffen werden für das Eindrehen von starken Teilen der schnellen Truppen nach Norden, um im Zusammenwirken mit der aus Ostpreußen in allgemeiner Richtung Leningrad zu operierenden nördlichen Heeresgruppe die im Baltikum kämpfenden feindlichen Kräfte zu vernichten. Erst nach Sicherstellung dieser vordringlichsten Aufgabe, welche die Besetzung von Leningrad und Kronstadt folgen muss, sind die Angriffsoperationen zur Besitznahme des wichtigsten Verkehrs- und Rüstungszentrums Moskau fortzuführen… Die Einnahe dieser Stadt bedeutet politisch und wirtschaftlich einen entscheidenden Erfolg…“

Hitlers Weisung Nr. 21, 18. Dezember 1940, Kriegsziele der Planung von „Fall Barbarossa“. Quelle: Präventivkrieg S. 192

Die Schlacht um Kiew war Ende September 1941 beendet, die Rote Armee hatte weitere 700.000 Mann verloren und die Wehrmacht machte sich nun – drei Monate nach Beginn der Operation Barbarossa – auf den Weg zur sowjetischen Hauptstadt. Während der Operation Taifun, die den Weg nach Moskau freimachen soll, stößt Anfang Oktober in Mzensk die Wehrmacht zum ersten Mal auf überlegene, schwere russischen Panzer, darunter der T-34.

„Die 4. Panzerdivision wurde südlich Mzensk von russischen Panzern angegriffen und erlebte böse Stunden. Zum ersten Male zeigte sich die Überlegenheit des russischen T 34 in krasser Form. Die Division hatte betrübliche Verluste. Der beabsichtigte rasche Vormarsch auf Tula musste vorerst unterbleiben.“

Heinz Guderian, Erinnerungen eines Soldaten. Stuttgart 1994, S. 211 f.

Außerdem beginnt nun der Herbstregen und leitet die Schlammperiode ein, die ein zügiges Vorankommen unmöglich macht. Als die Wehrmacht Ende November vor Moskau steht, herrscht klirrende Kälte, die Truppe ist stark ausgedünnt, es mangelt an Winterausrüstung und die Versorgungslinien sind überdehnt.

Die 78 Wehrmacht Divisionen, die zur Eroberung Moskaus bei minus 30 Grad antreten, bestehen im Durchschnitt nur noch aus der Hälfte ihres Personalbestands. Die Fahrzeuge bleiben wegen Materialverschleiß und Kälte oft liegen. In diesem Augenblick treten vor Moskau die sibirischen Divisionen unter dem Befehl von General Schukow am 5. Dezember 1941 zum Gegenangriff an und durchbrechen die deutschen Linien mit voller Wucht.

Da der von Stalin befürchtete Angriff Japans ausbleibt, wurden die sibirischen Divisionen nach Moskau verlegt. Diese 104 sowjetischen Divisionen zählen mehr als eine Million Soldaten mit 780 Panzern und 5.700 Geschützen. Im Gegensatz zu den Deutschen sind die sibirischen Einheiten bestens für den Winter ausgerüstet. Die Wehrmacht muss sich zum ersten Mal zurückziehen und verliert den Nimbus der Unbesiegbarkeit. Gemäß Clausewitz hatte die Wehrmacht vor Moskau ihren Kulminationspunkt überschritten. Die deutschen Einheiten waren ausgelaugt, die Versorgungslinien überdehnt und ihnen stand ein zahlenmäßig überlegener Gegner gegenüber.

Die Verluste auf deutscher Seite betragen bis Januar 1942 ca. 1 Million Mann – also ein Drittel der ein halbes Jahr zuvor in Russland eingefallenen Truppen. Die Verluste auf Seiten der Roten Armee belaufen sich auf ca. 6 Millionen (Gefallene und Kriegsgefangene) und obwohl sich ein Großteil der russischen Industrie und wichtige Ressourcen in deutscher Hand befinden, denkt Stalin nicht an Kapitulation. Wichtige Industrieanlagen werden abmontiert und hinter dem Ural wieder aufgebaut. Die verbündete Mongolei liefert Unmengen von Hilfslieferungen und General Winter schlägt – wie damals gegen Napoleons Truppen – unerbittlich zu.

Wie aussichtslos der Ostfeldzug Hitlers und seiner Generäle war, fasst der Publizist Sebastian Haffner in einen „Anmerkungen zu Hitler“ sehr treffend zusammen:

„Wie sollte ein Krieg gegen Russland angesichts dieser Menschen- und Raumreserven überhaupt zu beenden sein? Diese Frage hat sich Hitler, wie man jetzt weiß, nie ernsthaft gestellt. […] Sein Kriegsplan sah auch im Fall eines militärischen Sieges zunächst nur einen Vormarsch bis zur Linie Archangelsk-Astrachan vor; das heißt, er hätte selbst dann eine riesige Ostfront behalten – bei fortdauerndem Krieg mit England und drohendem Krieg mit Amerika.“

Sebastian Haffner, Ansichten zu Hitler, S. 146

In dem Roman „Durchbruch bei Stalingrad„, das von einem deutschen Offizier in russischer Kriegsgefangenschaft geschrieben wurde, wird ein Gespräch zwischen den beiden Generalfeldmarschälle von Rundstedt und von Brauchitsch nach der Niederlagen vor Moskau zitiert, das sicherlich fiktiv ist, aber inhaltlich den Kern trifft:

„Das operative Ziel diese Jahres ist nicht erreicht. Nach Mobilisierung der 2. und 3. Welle werden 400 russische Divisionen den 175 deutschen gegenüberstehen. Mit unseren Kräften diesen Gegner zu schlagen, ist nicht möglich. Wir müssen zurück auf die Linie Peipussee, Beresina, Dnjepr, vielleicht sogar noch weiter bis zur Memel und Weichsel, und dort einen Ostwall bauen, an dem er sich die Knochen blutig stößt.“

Durchbruch bei Stalingrad, Heinrich Gerlach, S.25

Hitler entließ die beiden Generalfeldmarschälle im Dezember 1941 und übernahm selbst das Oberkommando der Wehrmacht.

Warum wurde die Rote Armee unterschätzt?

  • Der Finnisch-Russische Winterkrieg hat ebenfalls gezeigt, dass die Moral des Verteidigers der des Angreifers überlegen ist. Als Stalin den Vaterländischen Krieg ausruft, bediente er sich dieser Mechanik.
  • Stalin war ein skrupelloser Diktator und als solcher Hitler nicht unähnlich. Es ist etwas völlig anderes, gegen eine Demokratie Krieg zu führen als gegen ein autoritäres Regime, das mit dem Rücken an der Wand steht. Die deutschen Soldaten berichteten immer wieder, dass sie erstaunt waren, mit welcher Hartnäckigkeit sich die Russen in aussichtslosen Lagen verteidigten – im Gegensatz zu Engländern und Franzosen, die sich eher ergaben als bis in den Tod zu kämpfen.
  • Logistik und Witterung. Die Rasputiza genannte Schlammperiode im russischen Herbst und Frühjahr hatte schon im 1. Weltkrieg für Schwierigkeiten gesorgt. Scheinbar wurde sie von General Franz Halder bei der Planung ebenso wenig beachtet, wie die logistischen Herausforderungen im Kontext der gewaltigen Distanzen.
  • Die sowjetische Wirtschaft war auf einen Krieg ausgerichtet. Fabriken wie zum Beispiel Uralwagonsawod am Ural, zur Fertigstellung von Traktoren und Eisenbahnwagen, waren so angelegt, dass sie direkt auf die Produktion von Panzern umgestellt werden konnten. Stalin wusste, dass der Kommunismus von Feinden umgeben war und hatte in seinem Fünfjahresplan 1931 bis 1936 mit dem Bau dieser Fabriken entsprechend vorgesorgt. Hitler begann erst ab Januar 1942 die deutsche Wirtschaft schrittweise auf eine Kriegsproduktion auszurichten, als er erkannte, dass sein „Blitzkrieg“ in Russland gescheitert war.
  • Einige Divisionen der Wehrmacht waren bis zu 60% mit (Beute-) Lastwagen der französischen Armee ausgerüstet, was den Mangel an Fahrzeugen in der Wehrmacht unterstreicht. Mit abnehmender Mobilität (Materialverlust und mangelnder Ersatz, Luftüberlegenheit des Gegners) verlor die Wehrmacht an Schlagkraft. An der Ostfront begann dies im Jahr 1942, als die Rote Armee in den Raum ausweichen konnte, anstatt sich in Kesselschlachten aufreiben zu lassen. Als die US-Hilfslieferung aus dem Leih- und Pachtgesetz anlief, erhielt die Rote Armee allein mehr Lastwagen aus den USA als Deutschland im ganzen Krieg herstellen konnte.
  • Die Schlagkraft der Wehrmacht beruhte auf wenigen mobilen Panzer-Divisionen. Da diese schnell in die Tiefe Russlands vorstießen, kam die Infanterie kaum nach und die mobilen Einheiten hatten die Hauptlast der Kämpfe zu tagen. Entsprechend hoch waren ihre Verluste und Ausfälle an schwer ersetzbaren Fahrzeugen und Panzern.
  • Barbarossa war als kurzer und schneller Feldzug geplant. Die Annahme des deutschen Generalstabs war, dass nach der Zerschlagung der Roten Armee (ca. 5 Millionen Mann) die Sowjetunion kapitulieren würde und die deutschen Truppen Weihnachten 1941 wieder Zuhause sein würden. Der Widerstandswille der Roten Armee, ihre Ressourcen sowie ihre Schlagkraft (T-34) wurden völlig unterschätzt.

Aufgrund der Fehleinschätzungen gab es keinen Plan B im deutschen Generalstab, was zu tun wäre, falls die Operation Barbarossa scheitert. Ähnlich wie es auch im 1. Weltkrieg es keine Plan B gab, falls der Schlieffenplan scheitern sollte.

Exkurs II – Japan und der Angriff auf Sibirien

Warum griffen die Japaner als Verbündete des III. Reiches 1941 nicht die UdSSR an?

Weil folgende Punkte dagegen sprachen:

  • Die japanische Kriegswirtschaft benötigte Rohstoffe wie Öl, Stahl und Kautschuk. Nichts davon gab es damals in Sibirien, dafür aber im südlichen Pazifik (Indonesien).
  • Im August 1939 erlitten die sonst siegesgewissen Japaner in der Schlacht von Khalkhin Gol eine militärische Niederlage. Die japanischen Truppen wurden von der Roten Armee unter dem Kommando von Georgi Schukow hinter der mongolischen Grenze eingekreist und aufgerieben. Japan erfuhr auf schmerzliche Weise, dass die Rote Armee ein Gegner ist, den man nicht unterschätzen darf.
  • Zum gleichen Zeitpunkt als Japan den mongolischen Grenzkonflikt mit der UdSSR austrug, schloss der deutsche Außenminister Rippentrop den Hitler-Stalin Pakt, der eine gegenseitige Nichtangriffserklärung beinhaltete. Japan schickte eine diplomatische Note an Berlin, um ihren Unwillen diesbezüglich auszudrücken. Dieser Grenzkonflikt spielte daher eine entscheidende Rolle in der Überlegung, wie sich Japan 1941 nach dem Einmarsch der Wehrmacht in die Sowjetunion verhalten sollte.
  • Während des Kriegs stationierte Stalin 15 bis 30% der verfügbaren Truppen mit ca. 3.000 Panzern und ca. 4.000 Flugzeugen in Fernost. Somit war die Grenze zwischen der UdSSR und Japan niemals „unbewacht“.
  • Fernost ist der schlechteste Ort für einen Angriff auf Russland. Die Entfernungen sind enorm und Moskau als Zentrum des Landes sehr weit weg. Selbst wenn die Japaner Landgewinne erzielen würden, käme die Taktik der verbrannten Erde zum Tragen, wie es jede russische Armee auf dem Rückzug seit Iwan IV. (den Schrecklichen) im 16. Jahrhundert getan hat. Für die japanische Armee wäre ein logistisches Desaster die Folge gewesen.
  • Die japanische Armee war bereits in China in eine großen militärischen Landoperation verwickelt.

Diese Gründe machen die Entscheidung der Japaner für die Südstrategie (Indonesien) anstelle der Nordstrategie (Sibirien) nachvollziehbar. Eventuell hätten die Japaner einen Angriff gewagt, wenn Hitler direkt Moskau fokussiert und im August/September 1941 eingenommen oder eingeschlossen hätte. Sie hätten sich dann wahrscheinlich an einem sicheren Sieg beteiligen wollen, ohne ein größeres Risiko eingehen zu müssen.

Japans Südstrategie

Aber auch die Südstrategie war mit Risiken verbunden. Eigentlich hätte Japan überhaupt nicht in den Krieg eintreten dürfen, denn die Chancen auf einen Sieg gegen die USA waren marginal. Der US-Präsident hatte jedoch mit dem Rohstoff-Embargo gegenüber Japan einen Angriff provoziert. Entweder würde Japan zeitnah Ölquellen erobern oder es müsste sich aus dem China-Konflikt, der seit Juli 1937 tobte, zurückziehen. Ölvorkommen gab es in Indonesien, das als Kolonie der Niederlande eine leichte Beute war, da das Mutterland von den Deutschen besetzt war. Jedoch wären die japanischen Öltransporter auf dem Weg von Indonesien nach Japan innerhalb der Reichweite von US-Bombern, die auf den Philippinen ihre Stützpunkte hatten. Somit konnten die Öllieferungen nur sicher in Japan ankommen, wenn vorher die US-Stützpunkte auf den Philippinen erobert wären. Und dies war nur möglich, wenn vorher die US-Pazifikflotte ausgeschaltet war. Und diese war auf Hawaii in Pearl Harbor stationiert.

Die japanische Hoffnung war es, dass nach einem erfolgreichen Militärschlag die kriegsunwillige US-Bevölkerung ihren Präsidenten zu einem Ausgleichsfrieden nötigen würde. Dabei hätte wahrscheinlich ein direkter Angriff auf die US-Kolonie der Philippinen die Öffentlichkeit weniger schockiert, als auf den US-Bundesstaat Hawaii.

Drei US-Flugzeugträger sowie einige moderne Kriegsschiffe verließen kurz zuvor Pearl Harbor und wurden an die US-Westküste verlegt. Ob US-Präsident Roosevelt den japanischen Angriff hat kommen sehen oder die Verlegung der Schiffe ein glücklicher Zufall für die US-Amerikaner war, bleibt offen. Der Angriff erfolgte am 7. Dezember 1941. Über 2.000 US-Seeleute verloren ihr Leben und acht Schlachtschiffe wurden entweder versenkt oder massiv beschädigt. Es war ein Schock für die US-Bevölkerung, die nun ihre pazifistische Stimmung fallen ließ.

Parallel zum Angriff auf Pearl Harbor eroberten die Japaner große Teile Süd-Ost-Asiens und sicherten sich die notwendigen Rohstoffe für die Kriegsindustrie. Die US-Navy erholte sich jedoch schneller von dem Schlag als gedacht und insbesondere die Bedrohung Japans als Inselstaat durch U-Boote wurde unterschätzt. Die US-Navy konnte mit ihren U-Booten die Versorgung sowie das maritime Leben der Japaner empfindlich stören. Ein zähes und langes Ringen begann, das im August 1945 mit zwei Atombomben auf Nagasaki und Hiroshima endete.

Das Japanische Empire im August 1942


Zahlen, Daten, Fakten – 1941

Der deutsche Nachrichtendienst vermutete vor dem Überfall auf die Sowjetunion, dass die Rote Armee über ca. 6.000 Flugzeuge und 6.000 Panzer verfügte. Tatsächlich waren es aber 21.000 Flugzeuge und 24.000 Panzer. Des Weiteren wurden die schweren Panzer der Roten Armee (T-34, KV-1, KV-2) übersehen. Die modernen deutschen Panzer hätten selbst eine deutliche Überzahl russischer Standardpanzer ausgleichen können. Doch bereits Anfang Oktober 1941 zeigte sich beim Panzergefecht bei Mzensk die Überlegenheit des T-34. Zum Zeitpunkt des Überfalls verfügte die Rote Armee bereits über ca. 1.000 schwere Panzer, die jedoch noch nicht in geschlossenen Verbänden zusammengefasst waren.

Der T-34 hatte eine größere Durchschlagskraft und eine bessere Panzerung als die deutschen Panzer. Das Design machte ihn zum modernsten Panzer seiner Zeit. Durch den flachen Turm und die abgeschrägte Panzerung war er widerstandsfähiger gegen Beschuss und da der Motor aus Aluminium statt aus Stahl bestand, war der Panzer mit 30 Tonnen relativ leicht und entsprechend beweglich. Außerdem war der T-34 so konzipiert, dass er in großer Stückzahl hergestellt werden konnte. Bis Kriegsende sollte die UdSSR knapp 60.000 T-34 Panzer produzieren. Zwar war er technisch nicht so ausgefeilt wie die späteren deutschen Panzermodelle, aber Stalin soll in diesem Kontext gesagt haben: „Quantität ist auch eine Qualität“.

Überlegender T-34 (von russisch танк für Panzer)

Erst der zügig entwickelte Tiger-Panzer, von dem bis Kriegsende 1.350 Stück fertiggestellt wurden, konnte dem T-34 Paroli bieten. Der Panther-Panzer war nicht ausgereift und litt unter technischen Ausfällen. Anstatt auf Quantität setzten die Deutschen auf Qualität. Dies führte zu ständigen Modifikationen an bestehenden Modellen und verhinderte eine standardisierte Massenproduktion wie sie in der UdSSR üblich war.

Statistik: Produzierte Panzer und Selbstfahrlafetten im Zweiten Weltkrieg nach Ländern in den Jahren 1939 bis 1945 | Statista
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Eine Gegenüberstellung

  1. Die UdSSR hatte 1941 doppelt so viele Einwohner wie Deutschland.
  2. Die UdSSR war die flächenmäßig größte Nation der Welt mit gewaltigen Ressourcen (z.B. Öl und Stahl)
  3. Die Rote Armee bestand 1941 aus ca. 5 Millionen aktiven Soldaten und 14 Millionen Reservisten mit einer zweijährigen militärischen Ausbildung.
  4. Die Wehrmacht bestand 1941 inklusive der Waffen-SS aus ca. 7 Millionen Soldaten und ca. 450.000 Reservisten. Somit standen der Roten Armee 35-mal so viele Reservisten zur Verfügung wie der Wehrmacht.
  5. Während der Planung von Barbarossa wurde von den Deutschen angenommen, dass die Sowjets zusätzlich zu den 100 bis 150 verfügbaren Divisionen weitere 50 ausheben und ausrüsten könnten – tatsächlich wurden aber ca. 820 zusätzliche Divisionen im Laufe des Krieges von der Roten Armee aufgestellt, davon ca. 100 mit Ausrüstung aus den US-Hilfslieferungen.

Was waren die Gründe für die große Abweichung bei der Anzahl der Reservisten?

  1. Industrialisierung: Deutschland war stärker industrialisiert und benötigte mehr ausgebildete Fachkräfte in den Fabriken. Im Mai 1941 wurde die Industrie darüber informiert, dass die mobilisierten Fachkräfte in nur vier Monaten wieder demobilisieren werden würden – nach dem Sieg über die UdSSR.
  2. Versailler Vertrag: Die deutsche Armee wurde erst ab 1935 wieder aufgebaut. Davor waren gemäß Versailler Vertag max. 100.000 Soldaten erlaubt. Deshalb wurden die fälligen Jahrgänge in der Zeit von 1919 bis 1934 nicht militärisch ausgebildet. Die Jahrgänge 1917/18, die ab 1934 zum Militärdienst eingezogen wurden, fielen klein aus, weil das Deutsche Reich damals am Ende des 1. Weltkriegs stand. Viele Männer waren an der Front und es herrschte eine Lebensmittelknappheit. Entsprechend gab es weniger Geburten.

Ende 1941 beliefen sich die Ausfälle bei der Wehrmacht auf ca. eine Million. Größtenteils erfahrene und gut ausgebildete Soldaten, die nicht wieder ersetzt werden konnten. Bereits im Herbst 1941 hatte die Wehrmacht ein Ersatzdefizit von 280.000 Mann. Die „motorisierten“ Einheiten waren nur noch zu 40 % mobil ausgerüstet und hätten 1942 komplett re-mobilisiert werden müssen. Die Verluste in der Mannschaft wurden 1942 mit 18- und 19-jährigen Rekruten aufgefüllt, während die Rote Armee auf militärisch ausgebildete Reservisten zurückgreifen konnte.

Die Deutschen unterschätzten die UdSSR kolossal. Nicht nur numerisch, auch ob der logistischen Herausforderung und insbesondere in ihrer Widerstandskraft. Aber diese Fehleinschätzung entsprach dem Zeitgeist. Die Unterschätzung war ideologisch zementiert, da sich die Nazis als überlegene Herrenrasse wahrgenommen haben. Viele Militärs waren zwar nicht ideologisch verblendet, aber die alten Offizierskader hatten noch vor Augen, dass Russland im 1. Weltkrieg von der Reichswehr besiegt worden war. Die Oberleutnants und Hauptleute der Reichswehr waren nun teilweise die Generäle der Wehrmacht. Ihnen entging allerdings das Detail, dass damals das Zarenreich in den Wirren der russischen Oktoberrevolution eher implodiert ist, als dass es vor dem deutschen Kaiserreich in die Knie gegangen wäre. Nach dem kurzen Feldzug gegen Frankreich, das in nur wenigen Wochen besiegt worden war, waren die deutschen Militärs jedoch geblendet von ihrem eigenen Erfolg.

Allerdings vermuteten auch die Engländer und US-Amerikaner, dass die UdSSR kurz nach dem Überfall kollabieren würde. So desolat war die Außenwahrnehmung der Sowjetunion unter Stalin und so enorm waren die Verluste, welche die Rote Armee 1941 einstecken musste. Tatsächlich könnte man sagen, dass die Operation Barbarossa ein Erfolg war, wenn das Ziel die Zerschlagung einer gewissen Anzahl von Divisionen der Roten Armee war. Nur war die Rote Armee größer als von den Deutschen angenommen. Jede andere Nation hätte aufgrund der enormen Verluste kapituliert. Stalin schickte jedoch immer neue Divisionen an die Front und die Wehrmacht „siegte sich zu Tode„. (Vgl. Prof. Sönke Neitzel, Uni Potsdam, Tages Thema, Nr. 143, 22. Juni 2016)

„Der russische Koloss wurde von uns unterschätzt. […] Wir haben bei Kriegsbeginn mit 200 feindlichen Divisionen gerechnet. Jetzt zählen wir bereits 360.“

Zitat General Franz Halder, 11. August 1941

Der ideologische Vernichtungskrieg

Es gab 1941 keine Provokation oder sonst irgendeine politische Notwendigkeit für den Überfall Deutschlands auf die UdSSR. Hitlers Ideologie, der Krieg um Lebensraum und die Vernichtung des jüdischen Bolschewismus waren die Triebfedern. Es handelte sich um eine neue Form des Krieges: den ideologischen Vernichtungskrieg.

Die Protagonisten

Hitlers politisches Ziel war ein Krieg gegen die Sowjetunion, auf das er mit „monomanischer“ Energie zusteuerte (Vgl. Sebastian Haffner, Von Bismarck zu Hitler). Dass ein Krieg unvermeidlich ist, hatte er in seinem Vier-Jahres-Plan Memorandum vom 18. Oktober 1936 klar formuliert. Die UdSSR war der Gegenpol zu seiner nationalsozialistischen Ideologie. Außerdem sollte im Zuge der Vernichtung der verfeindeten Ideologie wertvoller Lebensraum erobert werden. Hitler ordnete seiner Ideologie alles unter: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Wladimir Iljitsch Lenin hatte nach der Russischen Revolution 1917/18 aus dem Feudalsystem des Zaren ein bolschewistisches Kollektiv-System geschaffen. Stalin als Nachfolger Lenins hatte es mittlerweile in einen autokratischen Führerstaat mit sozialistischem Anstrich umgewandelt. Stalin schuf einen enormen Führerkult um seine Person, der ihn aus dem Schatten Lenins holen sollte. Lenin selbst soll vor Stalin als seinen Nachfolger gewarnt haben. Seine paranoide Natur sorgte für ständige „Säuberungen“ in der Partei und im Militär, um Widerstände gegen seine Macht auszuräumen. Dies schwächte nachhaltig die Wirtschaft und Führungskraft des Militärs. Ob politische Säuberungen oder die Hungersnot (Holodomor genannt: Tötung durch Hunger) in der Ukraine, um das ukrainischen Nationalgefühl zu brechen: Für Stalin war Terror ein politisches Instrument und ihm war jedes Mittel recht, um an der Macht zu bleiben, was folgendes Zitat verdeutlicht:

Der Tod eines Mannes ist eine Tragödie, aber der Tod von Millionen nur eine Statistik.“ Josef Stalin

Zugleich wusste Stalin, dass die UdSSR von Feinden umgeben war, und setzte auf massive Aufrüstung sowie den Aufbau einer Kriegswirtschaft. Stalin hatte Hitlers Buch „Mein Kampf“ aufmerksam gelesen und war sich der drohenden Kriegsgefahr bewusst. Als Hitler an die Macht kam, bot Stalin England und Frankreich direkt an, mit einer Million Soldaten der Roten Armee Deutschland anzugreifen. England und Frankreich lehnten damals ab. Als dann später Frankreich realisierte, dass ein Krieg gegen Hitler unvermeidlich war, wollte es eine Abmachung mit Stalin treffen. Doch er hatte sich mittlerweile zur Überraschung aller mit Hitler über die 4. Teilung Polens geeinigt.

Seit dem Paket zwischen Deutschland und Japan im Jahre 1936 befürchtete Stalin einen Zwei-Fronten-Krieg. Als Polen die deutschen Forderungen ablehnte, sah Stalin eine Möglichkeit, Hitler in einen Krieg mit den Westmächten zu verstricken. Hitler plante bereits den Überfall auf Polen und brauchte daher die Rückendeckung der Sowjetunion. Der Abschluss des Hitler-Stalin-Pakts am 23. August 1939 in Moskau erhöhte die Chancen, dass Hitler Polen tatsächlich angriff und Deutschland somit – ähnlich wie im 1. Weltkrieg – mit den Westmächten im Krieg stand. Die Tatsache, dass sich parallel der deutsche Verbündete Japan in der Mongolei ein Grenzscharmützel mit der Roten Armee lieferte, bescherte Stalin einen weiteren Grund, auf den Pakt einzugehen. Somit wurde ein Keil zwischen Japan und Deutschland getrieben und in der Tat sendeten die Japaner Protestnoten nach Berlin, als der Hitler-Stalin-Pakt bekannt geworden war. Vgl. Am Hof des Roten Zaren, S. 350 ff.

Stalin war nicht nur grausam, sondern auch hochintelligent. Ihm wäre zuzutrauen, dass hinter seiner Bereitschaft, plötzlich einen Pakt mit dem Erzfeind einzugehen, auch eine taktische Erwägung stand. Hitler hingegen war zu verblendet von Rassentheorien und seiner Vorsehung, um die Gefahr einer Neuauflage des 1. Weltkrieges zu erkennen, in dem sich Deutschland in einem Zwei-Fronten-Krieg verausgabt hatte. Der einzige Faktor, den Stalin in seiner Kalkulation falsch einschätze war, dass Deutschland Frankreich in nur wenigen Wochen besiegen würde, statt wie 1914 bis 1918 lange Grabenkämpfe auszufechten. Ansonsten war ein guter Geostratege, der als „lachender Dritter“ so lange warten wollte, bis sich die Westmächte Deutschland und England in ihrem gegenseitigen Kampf erschöpft hätten, um dann die kommunistische Idee über die Grenzen er UdSSR hinaus zu tragen und die Nachkriegsordnung mitbestimmen zu können.

Während Hitler als Hobby-Architekt ein germanisches Reich „erbauen“ wollte, war es Stalin als Parteigenosse gewohnt, so lange „abzuwarten“, bis sich der richtige Augenblick bot, um seine Macht auszubauen.

Stalin wurde von Hitlers Überfalls am 22. Juni 1941 völlig überrascht, obwohl er von den Briten gewarnt worden war, dass der Angriff kurz bevor stehen würde. Er tat diese Hinweise als alliierte Propaganda ab. „Stalin ließ sich täuschen, weil er an Hitlers Selbsterhaltungstrieb glaubte“. (Chlewnjuk, Stalin, S. 301)

„Die sowjetische Führung betrieb harte Realpolitik, die deutsche war zutiefst irreal und jagte einem rassistisch begründeten Traum nach. […] Deshalb konnte und wollte Stalin nicht erkennen, dass Hitler unklug genug war, einen hochriskanten Zweifrontenkrieg zu beginnen, obwohl ihm der Pakt mit der Sowjetunion doch so viel mehr Vorteile brachte. Vor allem unterlief er die britische Seeblockade, die 1914-1918 so wirksam gewesen war.“ Joachim Käppner in 1941, S. 162

Als sich Stalin von dem Schock des Überfalls erholt hatte, fand er schnell zu seiner Hartnäckigkeit zurück, die ihn auch nach Lenins Tod zur Macht verholfen hatte. Am 7. November 1941 lässt Stalin zum Jahrestag der Russischen Revolution eine Militärparade in Moskau abhalten, obwohl die Wehrmacht nur ca. 100 Kilometer vor Moskau steht. Als seine Genossen Stalin die Parade wegen der Gefahr deutscher Luftangriffe ausreden wollten, bestand er darauf, das eventuelle Opfer schnellstmöglich weggeräumt werden müssten, „damit der Vorbeimarsch weitergehen kann.“ (Vgl. Am Hof des Roten Zaren, S. 459). Am Ende verhinderte ein Schneesturm den Einsatz der Luftwaffe.

Ein weiteres Beispiel, das sinnbildlich für seine Härte steht, ist die Weisung Nr. 270. Sie besagt, dass die Familien von Rotarmisten, die in Kriegsgefangenschaft geraten sind, ebenfalls wegen Landesverrat inhaftiert werden. Als Stalins eigener Sohn gefangen genommen wurde, machte der keine Ausnahme und ließ dessen Frau inhaftieren. Vgl. Am Hof des Roten Zaren, S. 470

Erich Fromm hat in seinem Buch „Anatomie der menschlichen Destruktivität“ einen analytischen Blick auf die Psychogramme von Hitler und Stalin geworfen. Stalin war demnach ein Sadist. Kinder und Ehefrauen von direkten Mitarbeitern wurden zu Arbeitslagern verurteilt. Stalin genoss es, auf diese Weise seine Macht zu symbolisieren, während sich die Betroffenen im täglichen Umgang mit Stalin nichts anmerken lassen durften. Die Partei war wichtiger als die Familie. Er schuf ein Terror-Regime, das primär auf der Angst vor ihm basierte. Das perfide Spiel der psychologischen Unterdrückung lernt Stalin im Priesterseminar, das er jedoch abbricht, um Berufsrevolutionär zu werden. Obwohl er als Kind viel Gewalt erfährt, schließt er die Schule als Jahrgangsbester ab.

Hitler hingegen war ein begabter, aber fauler Schüler, der seine ihn liebende Mutter dominierte und vor seinem autoritären Vater kuschte. Die Realschule verlässt er ohne Abschluss und sucht Zuflucht in einer Fantasiewelt, die aus Indianer- und Kriegsspielen besteht, in denen er schon als Kind aufgrund seiner Redegewandtheit als „Anführer“ auftritt. Erich Fromm attestiert ihm eine hohe Vitalität und Beredsamkeit, jedoch auch ein hohes Maß an Destruktivität, insofern etwas nicht nach seinem Willen geschieht. Nach seiner Ablehnung an der Wiener Kunsthochschule 1907 vertieft er sich in gesellschaftskritischen Schriften zu Themen wie Rassenideologie, Antisemitismus und Nationalsozialismus. Sein verletzter Narzissmus brauchte einen Sündenbock und er verurteilte die bürgerliche Gesellschaft, die sein vermeintliches „Genie“ nicht erkannte. Der Kriegsausbruch 1914 war ein Glücksfall für die gestrandete Persönlichkeit, die sich nun zu einer sinnvollen Aufgabe berufen fühlte. Als er vier Jahre später in einem Lazarett von dem Waffenstillstand erfuhr, fühlte er sich hintergangen. Er glaubt an die von seinem späteren Förderer Erich Ludendorff in die Welt gesetzte Dolchstoßlegende, was seinen Antisemitismus weiter nährt.

„…dass die Juden ausgerottet werden. Sie würden diesmal mit dem, was sie am 9. November 1918 (Novemberrevolution) getan haben, nicht durchkommen. Der Tag der Abrechnung sei gekommen.“

Hitler Ende Januar 1939 zu dem tschechoslowakischen Außenminister Chvalkovsky (Vgl. Erich Fromm, S. 448)

Er trat einer kleinen Partei mit nur 50 Mitgliedern bei und machte aus ihr die NSDAP. Seine Redekunst sowie Willensstärke – die laut Erich Fromm manchmal an ein trotziges Kind erinnerte – machten Eindruck in den politisch und wirtschaftlich instabilen 20er-Jahren. Die Deutschen waren noch an einen Kaiser gewöhnt und die junge Demokratie war durch Versailles gedemütigt und führungslos.

Beiden Personen spricht Erich Fromm in seiner klinischen Studie einen hohen Grad an Destruktivität zu – ob nun durch einen Hang zum Sadismus oder zum verletzten Nazismus. In dem Aufeinandertreffen scheint sich die Destruktivität potenziert zu haben: Vier lange Jahre wurde Osteuropa in eine Hölle auf Erden verwandelt.

Vernichtungskrieg

In der ersten Phase des deutschen Überfalls wurden riesige Verbände der Roten Armee von den mobilen Einheiten der Wehrmacht überflügelt, eingekesselt und aufgerieben. Zu Beginn der Operation Barbarossa ließen für jeden gefallenen deutschen Soldaten 20 Rotarmisten ihr Leben. Zwischen Juni und Dezember 1941 fielen 2.663.000 Soldaten der Roten Armee und 3.350.000 gerieten in Gefangenschaft (Vgl. Richard Overy, Russlands Krieg, S. 188). Auf der Gegenseite erlitt die Wehrmacht bis Ende 1941 mit über 200.000 Toten und 620.000 Verwundeten ebenfalls große Verluste, die kaum zu kompensieren waren. Nach Schätzungen starben im 2. Weltkrieg zwischen 1,1 bis 1,3 Millionen deutsche Soldaten in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, was einem Anteil von 33 – 42 % entspricht. In deutschen Kriegsgefangenenlagern starben allein 1941 ca. 90 % der russischen Kriegsgefangenen, ca. 3 Millionen. Hierbei spielte das Unvermögen, eine so gewaltige Anzahl von Gefangenen zu versorgen, ebenso eine Rolle wie die Rassenideologie der Nazis. Die Sowjetunion hatte die Genfer Konvention nicht unterschrieben, weshalb dem Umgang mit Kriegsgefangen im Osten keine (humanen) Schranken gesetzt waren. Im Vergleich dazu starben 3,5% der alliierten Kriegsgefangenen in deutschen Lagern. In der ersten Phase des deutschen ÜberfallsIm Zuge des Bewegungskrieges wurden riesige Verbände der Roten Armee überflügelt, eingekesselt und aufgerieben. Zu Beginn der Operation Barbarossa ließen für jeden gefallenen deutschen Soldaten 20 Rotarmisten ihr Leben. Zwischen Juni und Dezember 1941 fielen 2.663.000 Soldaten der Roten Armee und 3.350.000 gerieten in Gefangenschaft (Vgl. Richard Overy, Russlands Krieg, S. 188). Auf der Gegenseite erlitt die Wehrmacht bis Ende 1941 mit über 200.000 Toten und 620.000 Verwundeten ebenfalls große Verluste, die kaum zu kompensieren waren. Nach Schätzungen starben im 2. Weltkrieg zwischen 1,1 bis 1,3 Millionen deutsche Soldaten in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, was einem Anteil von 33 – 42 % entspricht. In deutschen Kriegsgefangenenlagern starben allein 1941 ca. 90 % der russischen Kriegsgefangenen, ca. 3 Millionen. Hierbei spielte das Unvermögen, eine so gewaltige Anzahl von Gefangenen zu versorgen, ebenso eine Rolle wie die Rassenideologie der Nazis. Die Sowjetunion hatte die Genfer Konvention nicht unterschrieben, weshalb dem Umgang mit Kriegsgefangen im Osten keine (humanen) Schranken gesetzt waren. Im Vergleich dazu starben 3,5% der alliierten Kriegsgefangenen in deutschen Lagern.

Leningrad sollte im ursprünglichen Angriffsplan eingenommen werden. Immerhin war die Stadt mit dem größten Ostseehafen Russlands und dem nördlichen Eisenbahnknotenpunkt eine logistische Drehscheibe. Da die Rote Armee aber im Häuserkampf einen zähen Widerstand lieferte und die finnische Armee eine Teilnahme an der Eroberung Leningrads ablehnte, ließ Hitler die Millionenstadt einschließen. Die perfide Absicht war es, die 3 Millionen Einwohner im Belagerungszustand dem Hungertod auszusetzen und somit entsprechend der nationalsozialistischen Ideologie die slawische Bevölkerung zu dezimieren – ein Schicksal, das Hitler auch für Moskau eingeplant hatte. Es war der Wehrmacht verboten, in die russische Hauptstadt einzudringen, wozu es dann aber nicht mehr kam. In Leningrad starb ungefähr ein Drittel der Bevölkerung an den Folgen der Belagerung.

Hitler führte einen ideologischen Krieg, weshalb strategische Überlegungen zurückgestellt wurden. Strategisch wäre es sinnvoll gewesen, in der Ukraine als „Befreier“ aufzutreten und somit die innere Stabilität der Sowjetunion zu gefährden. In der Tat wurde die Wehrmacht von den Ukrainern zuerst als Befreier von der stalinistischen Schreckensherrschaft begrüßt. Offiziere der Abwehr befürworten einen Plan, der es vorsah, eine ca. 1 Million Mann starke ukrainische Armee aufzustellen. Jedoch war es mit der nationalsozialistischen Ideologie nicht vereinbar, als Befreier aufzutreten, da man als Herrenmensch gekommen war. Stattdessen wurden durch die Einsatzgruppen Massenerschießungen an Juden durchgeführt.

Da die deutsche Führung die Völker der Sowjetunion als rassisch minderwertige „Untermenschen“ begriff und entsprechend behandelte, wurde die Möglichkeit eines „regime change“ in Russland ausgeschlossen. (Vgl. Joachim Käppner, 1941, S. 206). Vielmehr einigte die ideologische Kriegsführung Hitlers die Völker der Sowjetunion im vaterländischen Krieg hinter Stalin. Wenn man sowieso vernichtet werden sollte, konnte man auch unerbittlich bis zum Tod kämpfen. Außerdem verteidigten sie ihr Vaterland, das überfallen worden war und waren somit den deutschen Angreifer moralisch überlegen.

„The true soldier fights not because he hates what is in front of him, but because he loves what is behind him.“ G.K. Chesterton



Das lange Ende 1942 bis 1945

Nach dem Scheitern von Barbarossa und dem Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 war der Krieg für Nazi-Deutschland nicht mehr zu gewinnen. Früher oder später würde das massive Ungleichgewicht bei Ressourcen und Industriekapazität den Ausschlag geben. Die Zeit der Blitzkriege war vorbei und der Abnutzungskrieg begann.

1942 – Stalingrad

Als die Front schließlich im Februar 1942 in einem wetterbedingten Stellungskrieg erstarrte, zählt die Wehrmacht rund eine Million Gefallene, Verwundete, Kranke und Vermisste. Als Ersatz stehen einschließlich der Genesenen gerade einmal 450.000 Mann bereit. Auch die Verluste an Fahrzeugen und weiterem Material sind kaum zu ersetzen. Um die geplanten Offensiven Richtung Kaukasus durchführen zu können, muss die Wehrmacht zwangsläufig auf ihren wichtigsten Vorteil verzichten, ihre Beweglichkeit. In weiten Teilen der Ostfront gräbt sich die Wehrmacht ein, während die verbleibenden motorisierten Einheiten für die neue Offensive aufgefüllt werden.

Trotz der kaum zu ersetzenden Verluste des Jahres 1941 startete Hitler 1942 parallel drei Offensiven (Stalingrad, Kaukasus, El Alamain). Die enormen Verluste, die die Rote Armee 1941 erlitten hatte, verleiteten Hitler und seinen Generalstab zu der Annahme, dass der „Russe kaputt“ sei. Die Verluste der Roten Armee an Gefallenen und Kriegsgefangenen beliefen sich bis Anfang 1942 auf fast 6 Millionen Mann, von den schweren Materialverlusten ganz abgesehen. Die von den Deutschen vor der Operation Barbarossa auf 5 Millionen Soldaten geschätzte starke Rote Armee schien somit inkl. Reserven weitestgehend aufgerieben zu sein. Die Ukraine, der sowjetische Brotkorb, war erobert, ca. ein Drittel des Eisenbahnnetzes in deutscher Hand, die Produktion an Kohle, Stahl und Eisenerz war mit dem Verlust des Donez-Beckens um 3/4 gesunken und die für die Rüstungsindustrie notwendigen Bestände an Aluminium, Kupfer und Mangan gingen um 2/3 zurück.

Öl war damals der elementare Rohstoff, der für eine Kriegsmaschine unabdingbar war. Und eben an diesem Rohstoff mangelte es Deutschland. Wenn die Ölfelder im Kaukasus erobert sind, sei der Krieg gewonnen. Dies war der dominierende deutsche Zeitgeist Anfang 1942, als sich der Winter zurückzog und die schlammigen Straßen bald wieder fest genug waren, um Panzern einen schnellen Vorstoß zu ermöglichen.

Wie aber bereits erwähnt, verfügte die Sowjetunion über ausreichend Reserven. Erste Hilfslieferungen aus den USA kamen in Russland an und halfen bei der Ausrüstung der frisch ausgehobenen Divisionen. Des Weiteren hatten die Sowjets ihre Lektion gelernt und ihre Taktik angepasst. Die Rote Armee zog sich „elastisch verteidigend“ zurück, statt sich einkesseln zu lassen. Raum zum Ausweichen gab sie genug und bei der Wehrmacht gab es nun „Luftstöße“ anstelle von Kesselschlachten. 1941 gerieten 3 Millionen Angehörige der Roten Armee in Gefangenschaft. Als die Wehrmacht ihre Offensive Anfang 1942 wieder aufnahm, wurden lediglich 80.000 Gefangene in Gewahr genommen. Im Kesseln von Charkow fielen noch einmal weitere 240.000 Rotarmisten in die Hände der Wehrmacht, als eine überhasteten Gegenoffensive der Roten Armee in der zweiten Schlacht von Charkow scheiterte.

Operation „Fall Blau“

Für die geplante Operation „Fall Blau“ wurden 41 neue Divisionen aufgestellt, davon wurden 21 Verbündete gestellt (zehn ungarische, sechs italienisch, fünf rumänisch). Die Truppen kämpften nicht weniger tapfer als die deutschen Kontingente, jedoch waren sie nicht annähernd so gut ausgerüstet und verfügten über keine schweren Waffen. Die Wehrmacht konnte zudem keine Ausrüstung abgeben, da die eigenen Verluste von 1941 selbst kaum ersetzt werden konnten. Der Roten Armee war das Ungleichgewicht bei der Ausrüstung bekannt. Daher schnappte die Falle von Stalingrad an den Frontabschnitten zu, an denen verbündete Truppen der Achsenmächte stationiert waren, nachdem sich die 6. deutsche Armee unter General Paulus im zähen Häuserkampf in Stalingrad festgebissen hatte. In der Operation Uranus wurden am 19. November 1942 ca. 330.000 Soldaten der Mittelmächte in Stalingrad eingekesselt. Die letzten der 90.000 verbleibenden Soldaten kapitulierten am 2. Februar 1943 vor der Roten Armee.

Operation Blau – Deutsche Sommeroffensive 1942


Operation Uranus bei Stalingrad – 19. bis 28. November 1942


Die Gegenoffensive der Roten Armee vor Moskau im Dezember 1941 das Ende vom Anfang, Stalingrad ein Jahr später war der Anfang vom Ende.

Das Zentrum von Stalingrad nach der Befreiung am 2. Februar 1943

Laut dem Historiker Jonathan House wurde im Ursprungsplan der Operation „Fall Blau“ Stalingrad nur am Rande erwähnt. Insofern möglich, könne man Stalingrad einnehmen oder lediglich unter Artilleriefeuer nehmen. Primäres Ziel von „Fall Blau“ sei jedoch das kaukasische Öl gewesen. Mit seiner Weisung 45 vom 23.07.42 griff Hitler persönlich in die Planung des Unternehmens ein, indem er eine Aufteilung der Heeresgruppe Süd befahl. Gleichzeitig sollten nun die kaukasischen Ölfelder erobert und Stalingrad als Verkehrsknotenpunkt eingenommen werden, um die sowjetischen Gütertransporte abzuschneiden. Diese Zersplitterung der schon sowieso strapazierten Kräfte wird im Wesentlichen für die Ursache des Untergangs der 6. Armee in Stalingrad angesehen.

Wie konnte das Blatt gewendet werden, obwohl die Rote Armee 1942 gefühlt fast am Ende war? Weil die Rote Armee völlig unterschätzt und die Leistungsfähigkeit der Wehrmacht überschätzt wurde. Laut Clausewitz ist ein Krieg erst gewonnen, wenn der unterlegene Kriegsgegner an seine Niederlage glaubt. In einem ideologischen Vernichtungskrieg an seine Niederlage zu glauben, kommt aber einem Suizid gleich.

Der Abnutzungskrieg

Solange das Verhältnis an der Gefallen an der Ostfront zugunsten der Wehrmacht stand, wäre ein Sieg bzw. günstige Friedensverhandlungen möglich gewesen. Zu Beginn der Operation Barbarossa war, wie oben gesehen, das Verhältnis 20:1. Selbst bei Stalingrad betrug das Verhältnis noch 3:1, obwohl es ein Sieg der Rote Armee war. Stalin dachte, mit Stalingrad den Spieß umgedreht zu haben und nun die Wehrmacht vor sich her treiben zu können. Bei dem Versuch, in Anschluss an die Kapitulation der 6. Armee in Stalingrad, die Industriemetropole Charkow dauerhaft zurückzuerobern, wurde Verbände der Rote Armee im März 1943 eingekesselt und aufgerieben. General Erich von Manstein hatte somit mit zahlenmäßig unterlegenen Kräften und einem schnellen Manöver den Zusammenbruch der Ostfront vorerst verhindert. In Moskau war die Enttäuschung groß, als erkannt wurde, dass der Sieg in Stalingrad lediglich ein erster Schritt zur Befreiung war.

Laut der Aussage von Hillgruber und anderer Autoren (Hillgruber S. 105, Martin (Das Dritte Reich und die Friedensfrage im Zweiten Weltkrieg, in: Michalka, S. 526, besonders S. 542 ff.) und Mastny (S.73 ff.) wäre Stalin bis Ende 1943 an einem Separatfrieden mit Hitler interessiert gewesen. Nach dem teuren Sieg bei Stalingrad wurde Stalin deutlich, dass die weiteren Kosten bis zu einem finalen Sieg sehr hoch sein würden. Kosten, welche die Sowjetunion im Vergleich zu den Westmächten stark schwächen würden, und die es den Westmächten ermöglichten, Europa nach dem Krieg entsprechend ihrer eigenen Vorstellungen neu zu ordnen. Stalins lag wahrscheinlich richtig mit der Vermutung, dass die demokratischen Westmächte nicht ungern zusahen, wie sich die beiden autoritären Regime der Nazis und Sowjets gegenseitig bekämpften und schwächten. Vor diesem Hintergrund soll es eine Reihe von informellen Kontakten gegeben haben. Hitler hat sich jedoch geweigert, diese Option in Betracht zu ziehen, und verfolgte die Zielsetzung Sieg oder Untergang.

Tunisgrad

Nachdem der Vormarsch des Afrika Korps bei El Alamein von den Briten gestoppt wurde und im Zuge der Operation Torch US-Truppen in Afrika landeten, wurden die Achsenmächte in Nordafrika nach Tunesien zurückgedrängt. Mit der Kapitulation des Afrika-Korps in Tunis gerieten 150.000 gut ausgebildete deutsche Soldaten in Kriegsgefangenschaft. Hitler hatte trotz der Bitten Erwin Rommels jeglichen Rückzug verboten. Er befürchtete, dass bei einer direkten Bedrohung Italiens die Regierung in Rom die Seiten wechseln würde – was später dann auch geschah. Es ist jedoch fraglich, wie viele der deutschen und italienischen Streitkräfte im Hinblick auf die maritime Überlegenheit der Alliierten überhaupt hätten evakuiert werden können. Die Verluste wären sicherlich hoch gewesen und sämtliches schweres Kriegsmaterial hätte zurückgelassen werden müssen. Den Ausgang des Kriegs hätte es nicht beeinflusst, sondern ihn lediglich verlängert. So überlebten die Angehörigen des Afrika-Korps in alliierter Kriegsgefangenschaft, anstatt irgendwo an der Ostfront verheizt zu werden.

Mit der Eröffnung der zweiten Front in Italien und später der Landung der Alliierten in der Normandie konnte das III. Reich an keiner Stelle mehr genügend Material massieren, um eine für sich günstige Materialschlacht zu schlagen. Die einzige Chance bestand in einem Sieg von Qualität versus Quantität. Die Verluste in Stalingrad und Tunis waren nicht zu ersetzen. Nicht die Mannschaften, nicht das Kriegsmaterial und nicht die Erfahrung. Somit schmolz die vermeintliche Qualität der Wehrmacht dahin.

Kriegsgefangene des Afrika-Korps

Kursk

Das Unternehmen Zitadelle war der letzte Versuch der Wehrmacht das Heft des Handelns an der Ostfront zu übernehmen. 1943 hatte sich ein Frontbogen bei Kursk gebildet und Erich von Manstein wollte in einem schnellen Zangengriff Anfang Mai die Rote Armee dort einschließen und sich für Stalingrad revanchieren.

Die Offensive wurde aus diversen Gründen immer wieder verschoben, da zum Beispiel Hitler warten wollte, bis ausreichend moderne Panzer hergestellt waren. Laut Heinz Guderian war das Zeitfenster für einen Angriff bei Kursk verstrichen, während General Model meinte, die neuen Panzer würden die tiefen Abwehrschanzen sprengen. Als dann endlich das Unternehmen Zitadelle am 5. Juli 1943 startete, waren die Russen bestens vorbereitet. Der Angriff der Wehrmacht kam gegen den gut verschanzten Widerstand nur zäh voran.

Es war die größte Landschlacht der Geschichte und bei der Ortschaft Prochoroska stießen am 12. Juli 1943 die bisher größte Konzentration von Panzern aufeinander. Die Verluste bei der Roten Armee waren weitaus höher als bei der Wehrmacht, aber es wurde kein Durchbruch erzielt.

Deutsche KräfteSowjetische KräfteVerhältnis
Soldaten625.2711.987.4631:3,2
Panzer2.6998.2001:3
Artillerie9.46747.4161:5
Flugzeuge1.3725.9651:4,3
Gegenüberstellung der Streitkräfte bei Kurst am 5. Juli 1943 (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung)


Nachdem am 10. Juli 1943 die Alliierten auf Sizilien gelandet waren, wurde die deutsche Offensive am 16. Juli abgebrochen. Ob nun als direkte Folge der Landung oder aufgrund der Gegenoffensiven Operation Kutusow (12. Juli) und Operation Rumjanzew (3. August) der Roten Armee ist zweitrangig, denn die Wehrmacht war von nun an an der Ostfront in der Defensive. Für Hitler war es scheinbar wichtiger, den Angriff der Alliierten in Italien zu stoppen, da Truppen von der Schlacht bei Kursk nach Italien verlegt wurden. Von Rom nach Berlin ist es ein kürzerer Weg als von Kursk nach Berlin. Das Festnageln der Alliierten in Italien beendete die alliierte Mittelmeerstrategie. Deren Ziel war es, über einen schnellen Vorstoß in Italien das Gros der Wehrmacht im Osten abzuschneiden und zugleich der Roten Armee einen Zugang zu Mitteleuropa zu verwehren. In diesem Fall hätten England und die USA Europa nach ihren Vorstellungen neu ordnen können. Da der alliierte Vormarsch aber nun in Mittelitalien feststeckte, begannen die USA mit der Planung einer Landung in der Normandie – der Operation Overlord. (Vgl. Sebastian Haffner, Churchill. S. 157)

Am Ende der Operationen am Kursker Bogen waren die Verluste auf beiden Seiten beträchtlich. Die Rote Armee hatte für jeden zerstörten deutschen Panzer, sieben eigene Panzer verloren. Der Generalinspekteur für die Panzerwaffe Heinz Guderian schrieb in seinen Erinnerungen:

„Wir hatten durch das Mißlingen der ‚Citadelle’ eine entscheidende Niederlage erlitten. Die mit großer Mühe aufgefrischten Panzerkräfte waren durch die schweren Verluste an Menschen und Gerät auf lange Zeit verwendungsunfähig. Ihre rechtzeitige Wiederherstellung für die Verteidigung der Ostfront, erst recht aber für die Abwehr der im nächsten Frühjahr drohenden Landung der Alliierten an der Westfront war in Frage gestellt.“

 Heinz Guderian: Erinnerungen eines Soldaten. Stuttgart 1994, S. 283.

Die Rote Armee konnte sich von der Materialschlacht viel schneller erholen. Die Leih- und Pachtvereinbarung brachte der UdSSR dringend benötigten Treibstoff, Lastwagen, Lebensmittel und andere Ressourcen. In den Fabriken wurde der T-34-Panzer in Serie hergestellt. Ab dem Winter 1943/44 war die Rote Armee soweit und konnte ihre materielle Überlegenheit im Abnutzungskrieg gegen Deutschland ausspielen. Die Wehrmacht musste ihre knappen Ressourcen zwischen der Ostfront und der Südfront in Italien aufteilen, wobei Frankreich zusätzlich gegen eine eventuelle Landung der Alliierten gesichert werden musste.

Luftkrieg

Im Vorfeld der Landung in der Normandie wurde im Mai 1944 mit gezielten Bombenangriffen auf die Leunawerke die synthetische Herstellung von Flugbenzin reduziert, wodurch die Luftwaffe im entscheidenden Moment nahezu lahmgelegt wurde. Die alliierte Luftüberlegenheit nahm stetig zu und legte deutsche Städte und Industrieanlagen in Schutt und Asche. Die Luftwaffe hatte im spanischen Bürgerkrieg die Wirkung von Bombenangriffen erprobt und in den „Blitzkriegen“ taktisch ausgereizt – nun kam der Bombenkrieg nach Deutschland. Der Luftkrieg verbrauchte einen großen Teil der deutschen Kriegsanstrengungen. Flugzeuge sind teuer, da sie technisch komplex sind. Sie erfordern außerdem gut ausgebildete Piloten, Mechaniker, Hilfspersonal sowie aufwendig herzustellenden Treibstoff, Schmiermittel, Munition, Flugplätze usw. Der Schwerpunkt des Luftkriegs lag im Westen. Während die meisten Luftsiege der Luftwaffe an der Ostfront erzielt wurden, erlitt sie im Westen große Verluste. Ab 1943 gewannen die Royal Air Force (RAF) und die United States Army Air Forces (USAAF) langsam die Oberhand im Luftkrieg gegen und über Deutschland, womit noch mehr knappe Ressourcen in den Bau von Flugabwehrgeschützen, Radargeräten sowie Bunkern flossen.

Bombardierung der Leunawerke im Mai 1944 – Lähmung der deutschen Benzinproduktion


Statistik: Produzierte Kampfflugzeuge im Zweiten Weltkrieg nach Ländern in den Jahren 1939 bis 1945 | Statista
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Festzustellen ist, dass spätestens mit dem Kriegseintritt der USA der Krieg für die Achsenmächte nicht zu gewinnen war. Die USA lieferte über das Leih- und Pachtgesetz ungefähr fünfmal so viele Lastwagen an die Rote Armee wie Deutschland während des ganzen Krieges produzieren konnte. 1943 konnten deutsche U-Boote ca. 600.000 Bruttoregistertonnen der Alliierten im Atlantik versenken. Im selben Jahr liefen in den USA Liberty-Frachter mit einem Gesamtvolumen von 12 Millionen Bruttoregistertonnen vom Stapel.

Desmond Young beschreibt in seiner Rommel Biographie eine Szene, in der Hitler gegenüber Rommel nach der Kapitulation des Afrika-Korps im Mai 1943 zugegeben hat, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen sei. Es müsse eigentlich mit der einen oder anderen Seite Frieden schließen, aber niemand wolle mit ihm Frieden schließen. Rommel sagte in diesem Kontext, dass Hitler wie ein moderner Louis XIV (L’état c’est moi) war, nicht in der Lage, zwischen seinen Interessen und denen des Staates oder der Deutschen zu unterscheiden. Der Gedanke, dass er abtreten könnte, um für Deutschland und Europa einen Frieden zu ermöglichen, war ihm völlig fremd.

Rommel führte weiter aus, dass ihm später am Tag des Gesprächs auffiel, dass Hass die Triebfeder Hitlers Charakters war. Wenn er hasste, dann mit völliger Leidenschaft und ohne jegliche Vernunft. Vernünftig sprechen konnte man mit ihm nur, wenn Hitler niedergeschlagen war. Sobald er aber wieder von Schmeichlern umringt war, wischte er alle logischen Argumente zur Seite und steigerte sich in seine Vorsehung und Destruktivität.

1944 – Bagration

In Westeuropa verbindet man mit der Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 den entscheidenden Schlag gegen Nazi-Deutschland. Wahrscheinlich auch, weil es Hollywood mit Filmen wie „James Ryan“ und „Band of Brothers“ gelungen ist, die Operation Overlord auch für Kinobesucher visuell (bedingt) erlebbar zu machen. Der entscheidende Schlag gegen die Wehrmacht fand jedoch ca. zwei Wochen später an der Ostfront statt.

Zum dritten Jahrestag des deutschen Überfalls auf die UdSSR beginnt am 22. Juni 1944 die Operation Bagration. Anfänglich mit dem Ziel der Rückeroberung der weißrussischen Hauptstadt Minsk. Sie weitete sich jedoch schnell zu einem sowjetischem Blitzsieg gegen die deutsche Heeresgruppe Mitte aus.

Der in Warschau geborene sowjetische Marschall Konstantin Rokossowski gilt als Planer der Operation Bagration, da er dem ursprünglichen Plan die entscheidende Zangenbewegung mit zwei Stoßrichtungen hinzufügte und diese auch gegenüber Stalin durchsetzte. Dadurch konnten große Truppenteile der Wehrmacht eingekesselt werden. Die Heeresgruppe Mitte hörte faktisch auf zu existieren und für die Rote Armee war nun der Weg nach Westen frei.

Konstantin Rokossowski wurde während der von Stalin befohlenen Säuberung der Roten Armee 1937 inhaftiert, gefoltert (ihm wurden die Zähne ausgeschlagen) und wegen angeblicher Spionage zu zehn Jahren Gulag verurteilt. Nach dem für die UdSSR desaströsen Winterkrieg gegen Finnland wurde er im März 1940 ohne Angabe von Gründen begnadigt und nach einem Kuraufenthalt in Sotschi (wo er neue Zähne bekam) wieder mit seinem alten Dienstgrad in die Rote Armee aufgenommen. Eine interessante Persönlichkeit, da er trotz der ungerechten Behandlung ein überzeugter Sowjet blieb und als ein hervorragender Taktiker der Roten Armee zum Sieg verhalf.

Die Rote Armee verstand es hervorragend, ihre Absichten im Vorfeld der Operation Bagration zu verschleiern. Während sie immer mehr Truppen im Norden an dem 1.200 km langen Frontbogen der Heeresgruppe Mitte zusammenzog, erfolgten Ablenkungsangriffe und Manöver im Süden. Es gab zwar Anzeichen für einen Angriff im Norden, jedoch wurden diese von der Aufklärung ignoriert. Zur Beurteilung der Lage „benutzte Fremde Heere Ost nur diejenigen Informationen, die ihr ins Konzept paßten.“ Hitler selbst erwartete den Hauptangriff im Süden. Sein Denken war an wirtschaftlichen Zielen ausgerichtet und er befürchtete, dass die Rote Armee ihn von den Erdölfeldern Rumäniens abschneiden wollte. Somit wurden die Reserven der Wehrmacht in den Süden verlegt. 

Im Zuge der Invasion der Alliierten in der Normandie waren alle verfügbaren Reserven der Luftwaffe nach Frankreich verlegt worden. Unter diesen Umständen konnte die Roten Armee nicht nur die Luftüberlegenheit erringen, sondern auch unentdeckt ein deutliches Kräfte-Übergewicht konzentrieren. Es standen ca. 1,4 Mio. Soldaten auf sowjetischer Seite gegen ungefähr 850.000 Soldaten auf Seiten der Heeresgruppe Mitte. Bei der Artillerie und Panzern war das Verhältnis etwa 1:10 zu Gunsten der Roten Armee. Der nördliche Umfassungsarm startete die Offensive am 23. Juni und der südliche am 24. Juni. Bis zum 27. Juni war ein Großteil der deutschen 9. Armee bei Minsk eingeschlossen.

Operation Bagration. Bildquelle: Bundeswehr © ZMSBw 04489-24


Hitler hatte eine Frontverkürzung bei der exponierten Heeresgruppe Mitte in Weißrussland nicht gestattet und stattdessen das Prinzip der festen Plätze eingeführt, an denen die Rote Armee brechen bzw. ausbluten sollte.

„Die ‚Festen Plätze‘ sollen die gleichen Aufgaben wie die früheren Festungen erfüllen. Sie haben zu verhindern, daß der Feind diese operativ entscheidenden Plätze in Besitz nimmt. Sie haben sich einschließen zu lassen und dadurch möglichst starke Feindkräfte zu binden. Sie haben dadurch mit die Voraussetzung für erfolgreiche Gegenoperationen zu schaffen.“ Hitler, 8. März 1944



Eben dieses Prinzip ermöglichte den umfassenden Erfolg der Operation Bagration. Diese „Festen Plätze“ wurden eingeschlossen und aufgerieben. Dies führte zu weitaus höheren Verlusten als ein taktischer Rückzug. Verluste, welche die Wehrmacht an Mannschaft und Qualität (Ausbildung & Erfahrung) sowie Kriegsmaterial nicht mehr ausgleichen konnte. Als die Operation im August kurz vor Ostpreußen und Warschau zum Stehen kam, waren von 47 Korps 9 völlig aufgerieben und 22 in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten.

Neben den enormen Verlusten war nun auch der Siegeswille der Wehrmacht endgültig gebrochen. Man kämpfte weiter, um sich und seine Heimat zu verteidigen, aber nicht mehr, um den Krieg zu gewinnen.

Zerstörte Fahrzeuge der 9. Armee auf einer Straße in der Nähe von Titovka/Bobruysk (Belarus)

Die Rote Armee hatte sogar noch ausreichend Reserven um am 20. August 1944 eine weitere Offensive gegen Rumänien zu starten. Im Zuge der “Jassy-Kishinev Operation” wurden in der Heeresgruppe Südukraine zwei rumänische Armeen und die 6. Armee zerschlagen. Nun gingen auch die wichtigen Ölfelder bei Ploesti für das III. Reich verloren.

Die Niederlage der Heeresgruppe Mitte stellt „Stalingrad weit in den Schatten“. Die “Operation Bagration” besitzt zwar nicht die Symbolik von Stalingrad, war jedoch in ihren Ausmaßen noch katastrophaler.

Neben den enormen Verlusten war nun auch der Siegeswille der Wehrmacht endgültig gebrochen. Man kämpfte weiter, um sich und seine Heimat zu verteidigen, aber nicht mehr, um den Krieg zu gewinnen.

Hitlers letztes Ziel

Hitler gewann jedoch Zeit, was vielleicht seine Absicht hinter der Strategie der Festen Plätze war. Hätte sich die Wehrmacht taktisch zurückziehen können, stünde die Rote Armee schon in wenigen Wochen vor der Grenze Deutschlands und dann wäre die Stabilität einer nationalsozialistischen Regierung nicht mehr garantiert – wie auch das gescheiterte Stauffenberg Attentat vom 20. Juli 1944 belegt. Bei der starren Verteidigung der Festen Plätze wurden zwar die Wehrmachtsverbände aufgerieben, zugleich aber auch mehrere Divisionen der Roten Armee gebunden. Insofern der Krieg nicht mehr zu gewinnen war, brauchte Hitler die Wehrmacht nicht zu schonen. Wichtiger war für ihn Zeit, um sein einziges noch erreichbares Ziel umzusetzen: Die Vernichtung der europäischen Juden – den Holocaust.

Bereits Ende 1941, als sich zu ersten Mal die Möglichkeit eines Scheiterns abzeichnete, hatte er im Privatgespräch mit einem ausländischen Diplomaten geäußert:

„Wenn das deutsche Volk einmal nicht mehr stark und opferbereit genug ist, sein Blut für seine Existenz einzusetzen, so soll es vergehen und von einer anderen, stärkeren Macht vernichtet werden. Ich werde dem deutschen Volk keine Träne nachweinen.“ Von Bismarck zu Hitler, Sebastian Haffner, S. 300

Wenn das Deutsche Volk den totalen Rassenkrieg nicht gewinnen konnte, dann sollte es auch gemäß seiner Logik zusammen mit seinem „Führer“ untergehen, was seine Nero-Befehle vom 18./19. März 1945 belegen.

Exkurs III – preußische Militärtradition

Die Bereitschaft, militärisch alles auf eine Karte zu setzen liegt in der preußischen Militärtradition begründet. Friedrich der Große mit seinem Leitsatz, ein Krieg müsse „kurz und vives“ sein, war das Vorbild. Preußen war zu seiner Zeit eine kleine Regionalmacht, die sich keinen langen Krieg leisten konnte. Deshalb sollten Kriege durch gezielte und heftige Angriffe schnell entschieden werden. Das Motto hieß: „Die preußische Armee greift immer an.“

Friedrich der Große – lange Zeit Vorbild für deutsche Militärs

Die Militärdoktrin, Kräfte zu bündeln und dann massiv zuzuschlagen, setzte sich im deutschen Kaiserreich fort, wie im Schlieffen-Plan zu erkennen. Jedoch war diese Doktrin mit hohen Risiken verbunden, wofür der Verlauf beider Weltkriege ein Beleg ist. Der Wunsch, den Krieg offensiv über die Grenzen Deutschlands zu tragen, hängt auch mit der Erfahrung des 30-jährigen Krieges zusammen, in dem ca. ein Drittel der deutschen Bevölkerung ihr Leben ließ. Nach diesem Trauma sollte kein Krieg mehr auf deutschem Boden stattfinden.

Nach den Erfahrungen des 1. Weltkriegs wurde die „preußische“ Militärdoktrin durch die Konzentration von Panzern in mobilen Verbänden maßgeblich von Heinz Guderian weiterentwickelt. Diese mobilen Kräfte sollten auf einen Punkt konzentriert werden, um einen Durchbruch zu erzwingen. Risiken wurden hierbei in Kauf genommen, um das Überraschungsmoment auszunutzen. Geführt wurden die Operationen von vorne, um sich schnell den jeweiligen Gegebenheiten anpassen zu können.

Taktisch wird die Doktrin mit der preußisch-deutschen Führungsmethode Auftragstaktik oder „Führen mit Auftrag“ abgerundet. Der Vorgesetzte gibt ein Ziel aus, lässt aber genügend Spielraum, wie dieses Ziel erreicht wird. Das schafft Vertrauen und der Beauftragte kann nach eigenem Ermessen auf Veränderungen reagieren. Der preußische Militärwissenschaftler Clausewitz bezeichnete feindliche Gegenmaßnahmen und Schwierigkeiten, die den wirklichen Krieg von der militärischen Planungen unterscheiden, als Friktionen. Die Auftragstaktik kann somit auch als situative Führung verstanden werden.

Das Scheitern der deutschen Militärtradition in Russland

Diese Kombination aus den Doktrinen a) Bewegungskrieg, b) Auftragstaktik und c) Verbundene Kräfte verhalf der Wehrmacht anfangs zu einer qualitativen Überlegenheit gegenüber den anderen Streitkräften der damaligen Zeit. Diese Vorteile schmolzen aber in Russland zunehmend dahin. Riesige Distanzen, eine schlechte Infrastruktur und ein harsches Klima sorgten in Russland für einen hohen Materialverschleiß. Dazu kamen die Verluste bei Kampfhandlungen. Allein bei der Heeresgruppe Nord fielen bis Ende 1941 ca. 40 % der Lastwagen aus. Somit verlor die Wehrmacht zunehmend ihre Beweglichkeit, während die Rote Armee taktisch dazugelernt hatte und – auch dank der Hilfslieferungen aus den USA – die Beweglichkeit ihrer Divisionen stetig ausbaute.

Die „Auftragstaktik“ und der „Kampf mit verbundenen Kräfte“ erforderte gut ausgebildete Offiziere, die mit den zunehmenden Verlusten immer schwerer zu ersetzen waren. Die neuen Offiziere waren zudem stärker nationalsozialistisch indoktriniert und hielten sich größtenteils starr an Hitlers Befehle. Mit der Einführung der „Festen Plätze“ wurde das Prinzip der Auftragstaktik ausgehebelt. Die Wehrmacht verlor damit ihre Flexibilität, die auf der Initiative und dem Engagement der Truppenführer beruhte. Somit ging der letzte qualitative Vorteil der Wehrmacht gegenüber einer quantitativen Überlegenheit verloren.

Die russische Armee kannte keine operativen Freiräume und war es gewohnt, Befehle strikt auszuführen. Dies führte zu immensen Verlusten, sobald die Rotarmisten immer wieder frontal die ausgebauten Stellungen der Deutschen stürmen mussten. Die politischen Kommissare sorgten dafür, dass die Befehle Stalins selbst dann ausgeführt wurden, wenn sie eigentlich selbstmörderisch waren.

Richard Overy schreibt in seinem Buch „Russlands Krieg: 1941 – 1945“, dass im 1. Weltkrieg täglich 7.000 Angehörige der Zaristischen Armee gefallen sind. Dieser enorm hohe Wert wurde im 2. Weltkrieg mit täglich ca. 8.000 toten Rotarmisten sogar noch übertroffen. Er konstatiert hieraus, dass die hohen Verluste nicht nur an Stalin und den Polit-Kommissaren lagen, sondern Opferbereitschaft scheinbar auch Teil der russischen Kultur ist.

Dr. Jonathon House hebt zwei russische Taktiken hervor, die der Roten Armee neben der materiellen Überlegenheit ab spätestens 1943 zum Sieg verholfen:

  1. Maskirovka heißt auf russisch das Prinzip der Tarnung und Verschleierung, das die Rote Armee zur Perfektion brachte. Den Deutschen blieben die wahren Absichten der Gegenoffensiven bei Kursk oder bei der Operation Bagration bis zum Ende verborgen.
  2. Tiefe Operation ist eine Militärdoktrin, die auch von der Wehrmacht während der „Blitzkriege“ angewendet wurde. Bei einem Durchbruch stießen mobile Einheiten tief ins Feindesland vor, um die Neuformierung des Gegners zu stören. Dank der Ausrüstung mit US-Lastwagen und ausreichend Öl/Benzin konnte diese Taktik ab 1943 wirkungsvoll von der Roten Armee angewendet werden.

Als der 2. Weltkrieg im September 1939 ausbrach, war die Wehrmacht die modernste Armee ihrer Zeit. Hitler wählte per Zufall den idealen Zeitpunkt für den Beginn der militärischen Auseinandersetzung. Die Appeasement-Politik der West-Alliierten war erst ein halbes Jahr vorher im März 1939 gescheitert und es blieb wenig Zeit, den Rüstungsvorsprung der Wehrmacht einzuholen. Außerdem nutzte die Wehrmacht – da sie nach den Bedingungen des Versailler Vertrags komplett neu aufgebaut werden musste – die modernste Technologie der Zeit. Jeder Panzer war mit Funk ausgerüstet, während sich die französische Armee noch auf Meldeläufer verließ. Viele der höheren Offiziere der Wehrmacht hatten bereits im 1. Weltkrieg gekämpft und verfügten über entsprechende Erfahrung, die in der Anwendung neuer Militärdoktrinen zum Tragen kam. Die alliierte Kriegsführung hatte sich hingegen kaum weiterentwickelt – immerhin hatten sie den 1. Weltkrieg gewonnen und sahen keine Notwendigkeit einer Reform. Erst als die Alliierten überrascht (und teilweise überrannt) von den schnellen Siegen der Wehrmacht ihre Armeen ebenfalls modernisierten, konnten sie sich gegenüber der Wehrmacht behaupten. Im folgenden Abnutzungskrieg stand der Sieger aufgrund der materiellen Überlegenheit von Anfang an fest.

“We ran out of anti-tank shells before you ran out of tanks.”

Angebliches Zitat eines Offiziers nach seiner Gefangennahme durch US-Truppen

Partisanen

Der Partisanenkrieg war eine Konsequenz der deutschen Kriegserklärung an die Zivilbevölkerung. In herkömmlichen Kriegen wird der Konflikt zwischen den beteiligten Armeen ausgetragen. Ein ideologischer Rassenkrieg macht die gesamt Bevölkerung zur Zielscheibe, weshalb sie auch das Recht hat, sich zu wehren. 

In seiner Studie über den Partisanenkrieg in Weißrussland resümiert der polnische Historiker Bogdan Musial, dass dort ca. 7.000 deutsche Soldaten von Partisanen getötet wurden, wobei offiziellen sowjetischen Angaben zufolge in Weißrussland 282.000 Partisanen aktiv gewesen sein sollen. Er kommt zu dem Schluss, dass die primäre Tätigkeit der Partisanen nicht der Kampfeinsatz gegen die Besatzer war, sondern die Nahrungsbeschaffung, wobei es auch zu Gewalt gegen die eigenen Landsleute kam. Sie stellten jedoch eine ernstzunehmende Gefahr für die überdehnten deutschen Nachschub-Verbindungen dar. In der Operation Schienenkrieg gelang es Partisanen, die von der Roten Armee mit ausreichend Sprengstoff versorgt wurden, zum Zeitpunkt der Gegenoffensive in Kursk die Bahnverbindung für 48 Stunden zu unterbrechen.

Der General Gotthard Heinrici schrieb im Oktober 1943:

„Man kann heutzutage nicht mehr abends aus Russland mit dem Reich sprechen, denn gewöhnlich sind ab 20 Uhr sämtliche Leitungen nach dem Reich durch Sprengung oder Sabotage gestört, um erst am Vormittag wieder in Gang zu kommen. Hinter unserm Rücken ist nicht mehr Partisanen-Tätigkeit, sondern im Wesentlichen das ganze Land im Aufruhr. Einigermaßen Friede herrscht nur im Bereich der Front, weil dort zu viele Soldaten sind.“

Johannes Hürter, Notizen aus dem Vernichtungskrieg. Darmstadt 2016, S. 222.

Hitler und seine Generäle

Hitler wie Stalin hielten sich für große Strategen. Stalin merkte jedoch recht schnell, dass es sinnvoll war, seinen Generälen freie Hand zu lassen. Sollten sie scheitern, würde sie die alleinige Schuld tragen und sollten sie siegen, konnte Stalin davon nur profitieren. Hitler verwies oft auf seinen Kriegserfahrung als Frontsoldat im 1. Weltkrieg, wodurch er gegenüber seinen Generälen besser wissen würde, was man einem Frontsoldaten zumuten könne. Als Meldeläufer wurde er im Verlauf des Kriegs einem Stab zugewiesen, wo er auch die Reaktion des Oberkommandos auf die Rücknahme der Truppen auf die Siegfriedstellung im Frühjahr 1917 erlebte. Diese Frontbegradigung ging den Generälen damals zu schnell vonstatten, als wenn ein Rückzug eine Art Sogeffekt entwickeln würde. Für Hitler war dies eine einschneidende Erfahrung, weshalb er später jedem taktischen Rückzug skeptisch gegenüberstand.

Hitler griff regelmäßig in die militärische Planung ein und erschwerte insbesondere im späten Kriegsverlauf mit seinen starren Haltebefehlen eine flexible Kriegsführung. Die deutschen Militärs wollten sich nach 1945 von der Schuld reinwaschen und allein Hitler die Schuld an dem Krieg, den Verbrechen sowie dem Scheitern zuweisen. Insbesondere Franz Halder sorgte für eine Legendenbildung. In Kriegsberichten, die er im Auftrag der US-Regierung über den 2. Weltkrieg erstellte, wies er oftmals die alleinige Schuld an militärischen Niederlagen Hitlers Entscheidungen zu. Heute wissen wir, dass sich die deutschen Generäle von Hitler haben korrumpieren lassen und ihm bereitwillig sowie im vorauseilenden Gehorsam folgten, solange das Kriegsglück auf ihrer Seite stand.

Der Autor Joachim Käppner skizziert sehr treffend den Zeitgeist dieser Generäle, der sie empfänglich für die aggressive Politik des 3. Reiches machte.

„Viele von ihnen, ja die meisten, waren mit den Idealen des Kaiserreiches aufgewachsen, knochenkonservativ. überheblich, voll revanchelüsterner Sehnsucht, die „Schmach von 1918“ zu tilgen.“

Joachim Käppner, 1941. S. 251

Manfred Messerschmidt, der Begründer einer kritischen Militärhistorie, attestiert dem deutschen Militär im 2. Weltkrieg „eine Teilidentität der Ziele“ mit dem Nationalsozialismus. Die Ziele mögen nicht die selbe Einfärbung und den gleichen Ursprung gehabt haben, aber sie haben sich ausreichend überschnitten.

Der Plan einer Herrschaft über Osteuropa entsprach einem unter deutschen Offizieren weit verbreiteten „Junker-Denken“ sowie der Sehnsucht nach einem autoritären Staates mit einer feudalartigen Struktur. Viele Soldaten der Reichswehr hatten sich direkt nach dem 1. Weltkrieg bei den Freikorps einschreiben lassen, wo sie ganz in der Tradition des Deutschen Ritterordens Land und Eigentum im Baltikum erobern wollten.

Der Widerwille gegen den Kommunismus war ein weiter bindender Faktor. Viele der höheren Offiziere hatten 1918 am eigenen Leibe erlebt, wie sich 1918 Soldatenräte gebildet hatten und Offiziere der Reichswehr entwaffneten. Diese Erfahrung war einschneidend schuf eine tiefe Skepsis der deutschen Militärführung gegen jede Form von „Volksherrschaft“, ob nun kommunistisch oder demokratisch. Somit war das Militär auch in großen Teilen nicht bereit, die junge Weimarer Demokratie zu unterstützen. (Vgl. Joachim Käppner, 1941. S. 257 ff.)

Kampf bis zum Untergang

Generäle, die die Unmöglichkeit des Sieges erkannt hatten, wurden von Hitler entlassen (von Rundstedt, von Brauchitsch, von Manstein usw.) und durch linientreue Generäle ersetzt. Die preußische Offizierskaste ahnte, dass sie nach diesem Krieg in einem zukünftigen deutschen Staat keine Rolle mehr spielen würde. Zu groß waren die Verbrechen, an denen sie direkt oder indirekt beteiligt war. Vielleicht auch deshalb waren einige von ihnen empfänglich für Hitlers Endsieg-Phantasien.

Ein Kern dieser Offiziere wurde sich jedoch im Angesicht der Verbrechen einer moralischen Verantwortung bewusst und plante ein Attentat auf Hitler. Nach diversen gescheiterten Versuchen sollte Hitler am 20. Juli 1944 durch eine von Stauffenberg platzierte Bombe in dem ostpreußischen Hauptquartier Wolfsschanze ausgeschaltet werden. Hitler überlebte jedoch wider Erwarten das Attentat und fühlte sich dadurch sogar in seiner Vorsehung bestärkt, den Kampf bis zum Untergang weiterzuführen.

Die Widerstandsgruppe um Henning von Tresckow und Rudolf-Christoph von Gersdorff hätte nach dem Tod Hitlers die Macht übernehmen, den Krieg im Westen beenden und im Osten defensiv weiterführen wollen. In der Konferenz von Casablanca im Januar 1943 hatten jedoch die Alliierten die bedingungslose Kapitulation Deutschlands beschlossen. Ein separater Frieden mit nur einer Seite war also nicht möglich. Die Formulierung „unconditional surrender“ kommt aus dem amerikanischen Bürgerkrieg. Übertragen auf den 2. Weltkrieg blieb somit nur ein Kampf bis zum bitteren Ende, da diplomatische Optionen nicht gezogen werden konnten. Zum einen war dies in Hitlers Sinne, da er an einem Kompromiss nicht interessiert war. Zum anderen erschwerte es dem deutschen Widerstand, ein Zeitfenster für eine vermeintlich erfolgreiche Revolte zu finden. Bis Dezember 1941 war Hitler aufgrund der militärischen Erfolge zu populär und nach der Konferenz von Casablanca im Januar 1942 war eine bedingungslose Kapitulation Deutschlands für die Alliierten die einzige Option für einen Frieden. Zum damaligen Zeitpunkt undenkbar für den deutschen Zeitgeist.

Die Offiziere des deutsche Widerstand riskierten ihr Leben, um den Amoklauf des Regimes zu stoppen, während die Masse der Deutschen ihren Dienst tat und beim Holocaust wegsah.

Claus Schenk Graf von Stauffenberg 

Der Putsch ist gescheitert, aber nur so war eine vollständige Entnazifizierung und Aufarbeitung des 3. Reiches möglich – ohne die Entstehung einer zweiten „Dolchstoßlegende“ und zugleich mit einem ehrenvollen Andenken an die Offiziere des deutschen Widerstands. Deutschland hatte sich vom Teufel im Mondlicht zu einem Tanz verführen lassen, entsprechend hoch war der Preis, als der Morgen dämmerte.

Exkurs IV – die Rolle der USA

Roosevelt bezeichnete die USA als das Arsenal der freien, demokratischen Welt. Über das Leih- und Pachtgesetz lies er jeder Nation Waffen und Hilfsmittel zukommen, die gegen „the evil forces“ kämpften. Für ihn waren die drei totalitären Systeme – nämlich Deutschland, Italien und Japan – Mächte des Bösen, die nicht ruhen würden, bis die freie Welt versklavt ist.

„Wenn Großbritannien fällt, werden die Achsenmächte Europa, Asien, Afrika kontrollieren – und in der Lage sein, enorme militärische und maritime Kräfte gegen diese Hemisphäre zu mobilisieren.“

Roosevelts „fireside chat“ Radiosendung vom 29. Dezember 1940, zit. nach Kershaw, Fateful Choises, S. 229

Roosevelt erkannte, dass er über das Leih- und Pachtgesetz auch ohne direkt Kriegsbeteiligung der USA den Kampf gegen Nazi-Deutschland unterstützen konnte und zugleich durch die damit verbundene Aufrüstung die wirtschaftliche Not der US-Amerikaner beenden konnte.

Die Arbeitslosigkeit in den USA war 1938 höher als in Deutschland. Hitler hatte es im Gegensatz zu Roosevelt geschafft, die Massenarbeitslosigkeit zu beseitigen. Dies war ein Problem für die demokratischen USA, denn somit drohten Wähler in das rechte (Faschisten) und/oder linke (Kommunisten) Lager abzuwandern, was die innere Stabilität der USA gefährden würde.

True individual freedom cannot exist without economic security and independence. People who are hungry and out of a job are the stuff of which dictatorships are made. Franklin D. Roosevelt

Präsident Roosevelt wusste nach der Erfahrung des 1. Weltkriegs, wie belebend ein europäischer Krieg für die US-Wirtschaft sein kann, und sah in einer Kriegsbeteiligung (aktiv oder passiv) die Möglichkeit, das Arbeitslosenproblems zu lösen. Jedoch war die US-Bevölkerung kriegsunwillig und lehnte jede Einmischung ab. Isolationismus war damals der US-amerikanische Zeitgeist.

Statistik: Historische Arbeitslosenquote in den USA in den Jahren 1919 bis 1980 | Statista

Obwohl sich Präsident Roosevelt 1940 mit dem Versprechen nicht in den Krieg einzutreten wiederwählen ließ, plante er sukzessive die Aufhebung der Isolation. Über das Leih- und Pachtgesetz vom 11. März 1941 konnten „jegliche Art von Rüstungsgütern“ jeder Nation zur Verfügung gestellt werden, „deren Verteidigung der Präsident für die Verteidigung der Vereinigten Staaten für lebenswichtig erachtet“. So lieferten die neutralen USA am 2. September 1940 im Destroyers for Bases Agreement 50 Zerstörer an England und etwas später übernahm die US-Navy den Begleitschutz britischer Konvois gegen deutsche U-Boote. Die Unterstützung ließ sich Roosevelt teuer von Churchill bezahlen, nicht nur mit britischen Goldreserven, sondern auch mit Stützpunkten in der Karibik und Handelsrechten. Die USA nutzten die Notlage Englands, um an dem Thron des britischen Empires zu sägen.

Der Historiker Correlli Barnett beschrieb Churchills Verhältnis zu Roosevelt wie folgt:

„Churchills Politik bot den Amerikanern daher die Möglichkeit, erstens durch britische Rüstungsaufträge zu prosperieren, und zweitens die britische Weltmacht zu demütigen, was ein lang gehegter amerikanischer Wunsch war. Von 1940 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs und danach war es Amerika, nicht Russland, welches die Hauptbedrohung für britische Interessen darstellte, was Churchill in seiner leidenschaftlichen Besessenheit Deutschland zu besiegen, nicht wahrnahm.“

Vgl. Correlli Barnett, The Collapse of British Power, 1972

Über Japan verhängte Roosevelt aufgrund des Japanisch-Chinesischen Kriegs ein US-Embargo. Wohl wissend, dass er Japan als rohstoffarmes Land somit in die Knie zwingt. Die japanische Kriegswirtschaft war nun von den lebenswichtigen Öllieferungen abgeschnitten und die verbleibenden Reserven reichten noch für ungefähr ein Jahr. Japan wurde somit in die Ecke gedrängt und setzte zum Befreiungsschlag an – siehe oben unter Exkurs II.

Mit dem Angriff der Japaner im Dezember 1941 auf Pearl Harbor bekam Roosevelt den Krieg, den er für die US-Wirtschaft benötigte. Hitler erklärte wenige Tage später ebenfalls den USA den Krieg. In nur kurzer Zeit wurde die US-Wirtschaft mobilisiert und produzierte Kriegsmaterial in bisher unvorstellbaren Mengen.

Warum erklärte Hitler der USA den Krieg?

Die USA befanden sich schon vor der Kriegserklärung faktisch im Kriegszustand mit Nazi-Deutschland. Ein Vergleich des besagten Destroyer-Deals hebt dessen Bedeutung hervor: Während die USA 50 Zerstörer an England lieferten, verfügte die deutsche Kriegsmarine zu Beginn des Krieges über lediglich 21 Zerstörer. (Vgl. Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 6, S. 276 & 398). Im Atlantik gerieten Begleitschiffe der US-Navy und deutsche U-Boote aneinander. Island wurde von 4.400 US-Soldaten besetzt, damit die dort stationierten britischen Truppen anderweitig eingesetzt werden konnten. Hitler glaubte also fest daran, dass die USA spätestens 1942 in einen aktiven Krieg gegen Deutschland eintreten würden, und er nahm fälschlicherweise an, dass die Sowjetunion Anfang Dezember 1941 kurz vor dem Zusammenbruch stand.

Mit der Kriegserklärung im Dezember 1941 hätte Nazi-Deutschland somit den Vorteil des Überraschungseffekts. Zumal die USA erstmal mit Japan beschäftigt sein würden. Die Kriegsmarine unter Admiral Reader wollte schon lange freie Hand gegen die US-Navy haben, um die britischen Konvois effektiver bekämpfen zu können. Außerdem könnten die USA durch einen U-Boot-Krieg der Nadelstiche empfindlich gestört werden.

Hitlers Fehleinschätzung zur Kriegserklärung an die USA bzw. der deutsche Zeitgeist Anfang Dezember 1941 lässt sich in vier Punkten zusammenfassen:

  1. Bis die US-Kriegsmaschine voll mobilisiert ist, würde die Wehrmacht ihre militärischen Ziele im Osten, Mittelmeerraum und Atlantik erreicht haben.
  2. Die japanische Offensive hat genügend Stärke und Ausdauer, um einen substantiellen Teil des angloamerikanischen Militärpotentials für eine beträchtliche Zeit im Pazifik zu binden.
  3. Unter diesen Umständen könnten die USA in absehbarer Zeit keinen offensiven „Two Ocean War“ führen.
  4. Dass sich Japan als Gegenleistung an dem Krieg gegen die UdSSR beteiligt.

In diesem Kontext ist die Entscheidung bedingt nachvollziehbar. Zumindest bis sich herausstellte, dass man die Mobilisierungsgeschwindigkeit der USA stark unterschätzt und die Schlagkraft der Japaner überschätzt hatte. Darüber hinaus besaß Nazi-Deutschland keinerlei Möglichkeit, die USA militärisch zu besiegen. Es fehlte an Stützpunkten im Atlantik, Langstrecken-Bombern und Flugzeugträgern, während die USA Truppen und Bomber in England stationieren konnte, was sie dann auch bald taten.

Der amerikanische Gigant

Über das Leih- und Pachtgesetz schickten die USA große Mengen an Kriegsmaterial und Ressourcen nach Russland. Die Hilfslieferungen entsprachen ca. 4% der sowjetischen Kriegswirtschaft. Ab 1943/44 verbesserten die gelieferten US-Lastwagen die Mobilität der Roten Armee gegenüber der Wehrmacht, was zu einem entscheidenden Vorteil im Bewegungskrieg führte. Die USA lieferten fünfmal so viele Lastwagen an die UdSSR wie Deutschland im ganzen Krieg selbst hergestellt hat. Außerdem wurde die Hälfte des Bedarfs an hochoktanigem Flugbenzin sowie ca. 4.000 Tonnen Lebensmittel geliefert. Im Vergleich zu den Nahrungsmittel, die im Zuge des Pacht- und Leihvertrag aus den USA nach Russland verschifft wurden, kamen in der gleichen Zeit aus der mit der UdSSR verbündeten Mongolei ca. 500.000 Tonnen Fleisch. Ohne die Hilfslieferungen aus den USA hätte die Rote Armee den Krieg ebenfalls gewonnen, nur hätte es etwas länger gedauert.

D-Day

Mit der Operation Overlord landeten die Alliierten am 6. Juni 1944, dem D-Day, in der Normandie. Dass die USA neben dem Krieg im Pazifik und der Offensive in Italien nun noch eine dritte Offensive planen und umsetzen konnten – wobei sie parallel sämtliche Alliierten über das Leih- und Pachtgesetz mit Hilfsmitteln versorgten – gibt ein Bild von der gewaltigen Kriegsindustrie, die Roosevelt aufgebaut hatte. Die Arbeitslosenquote war von 17,1 % im Jahr 1939 auf 1,2 % im Jahr 1944 gesunken.

Das Leih- und Pachtgesetz und der Kriegseintritt der USA den Krieg erheblich verkürzt und somit noch mehr Leid verhindert. Nach dem Krieg wurde das zerstörte Europa inklusive Deutschlands mit dem Marshallplan wieder aufgebaut. Ohne diese massive US-Hilfe wäre ein Wiederaufbau und somit eine Rückkehr Westeuropas zur Normalität sehr schwierig geworden. Über Osteuropa hingegen ließ Stalin den eisernen Vorhang fallen.

Verbrechen

Auch wenn dieser Text aus einem militärhistorischen Interesse heraus geschrieben worden ist, darf man die nationalsozialistischen Verbrechen nicht unerwähnt lassen. Insbesondere da der Text auch Passagen besitzt, die erläutern, welche Fehler das 3. Reich hätte vermeiden sollen, um den Krieg militärisch zu gewinnen. Moralisch hätte Nazi-Deutschland den Krieg niemals gewinnen dürfen. Es war das Reich des Bösen.

Der Mord an den Juden hatte im besetzen Polen begonnen und radikalisierte sich eigendynamisch in den eroberten Gebieten der Sowjetunion (Vgl. Joachim Käppner, 1941. S. 218). Etwa 6 Millionen polnische Bürger kamen während des Krieges ums Leben. Die Hälfte von ihnen waren Juden. Im Gebiet der Sowjetunion wurden ca. 2.6 Millionen Juden ermordet. Allein im September 1941 wurden in Babyn Jar in der Nähe von Kiew wurden innerhalb von 36 Stunden 33.771 Juden von Einsatzgruppen erschossen. Es gab vier Einsatzgruppen A, B, C und D, die jeweils der Front folgten und die rassenideologische „Säuberung“ des eroberten Lebensraums vornahmen. Sie wurden bereits vor dem Überfall auf die Sowjetunion extra für diese Aufgabe ausgebildet.

Das Gespenstische an Planung und Ausführung des Holocaust ist, dass sich das Geschehen zwar relativ genau rekonstruieren lässt, aber doch so irrational, so abgründig war, dass es sich dem Verstehen immer wieder entzieht. Die Wahnvorstellung des Diktators und der Naziführung war die eine Sache, aber es gelang ihnen ohne große Mühe, eines der entwickeltsten Länder der Welt in deren Dienst zu stellen.“ Vgl. Joachim Käppner, 1941. S. 228

Die Autoren Götz Aly und Susanne Heim arbeiten in ihrem Buch „Vordenker der Vernichtung“ heraus, dass die Vernichtung und Vertreibung von Juden, Slawen und anderer Völker nicht nur von „oben“ befohlen wurde, sondern von einem Heer von namenlosen „Wirtschafts- und Wissenschaftsexperten“ akribisch vorbereitet wurde. Diese ehrgeizigen Opportunisten haben den Genozid erst möglich gemacht. Ziel war es, zunächst Deutschland und dann dem gesamten europäischen Kontinent eine neue soziale Ordnung aufzuzwingen. Grundlage dieser Ordnung waren feudale Strukturen, die eine ökonomische Ausbeutung der unterworfenen Gebiete ermöglichten sollten und im Generalplan Ost bereits skizziert worden waren. Diese „Expertokratie“ kannte im 3. Reich weder moralische noch politische Grenzen. Nach dem Krieg machten nicht wenige von ihnen Karriere in der Bundesrepublik.

„Die (deutschen) Soldaten, die 1945 heimkamen, standen nicht nur materiell vor dem Nichts. Sie hatten überlebt, gewiss, viele an Körper und, noch mehr, an Seele gezeichnet. Sie hatten viele Jahre gekämpft – aber wofür? Nie zuvor in der Geschichte waren so viele Menschen für eine so schlechte Sache in den Krieg gezogen.“ Joachim Käppner, 1941. S. 267



Ende

Am Ende verdankt Europa die Befreiung vom Nationalsozialismus dem roten Stern – und somit mag dies die größte Leistung des Kommunismus sein. In Westeuropa wird die Befreiung mit dem D-Day in der Normandie in Verbindung gesetzt. Doch eine Landung in der Normandie wäre kaum erfolgreich gewesen, wenn die Wehrmacht nicht vorher im Osten von der Roten Armee niedergekämpft worden wäre. Acht von elf Verlusten der Wehrmacht erfolgten an der Ostfront und die Sowjetunion zahlte mit 27 Millionen Opfern einen sehr hohen Preis dafür.

Der Krieg gegen die UdSSR war strategisch für Nazi-Deutschland nicht zu gewinnen, da Hitler zu keinem Zeitpunkt strategisch dachte. Nazi-Deutschland führte einen ideologischen Vernichtungskrieg, der an Brutalität und Grausamkeit alleinstehend in der Geschichte ist.

Der Krieg, in dem der Feind als „Untermensch“ galt und mit äußerster Brutalität behandelt wurde, musste entsprechende Gegengewalt geradezu provozieren.“ Joachim Käppner, 1941, S. 236

Mit der sich abzeichnenden militärischen Niederlage intensivierte er den Holocaust, da dies das einzige noch erreichbare Ziel seiner Weltanschauung war. Ob wir den Holocaust als „Abtrünnigkeit von der Menschlichkeit“ oder als „Reflexion dessen, wozu der Mensch fähig ist“ (wenn die dünne Decke der Zivilisation bricht) bewerten, bleibt jedem einzelnen von uns überlassen. Wichtig ist allein, dass dieses Verbrechen nie vergessen wird.

Am Ende siegte das Gute über das Böse, weshalb der 2. Weltkrieg ein gerechter Krieg war – in Abgrenzung zu dem ungerechten 1. Weltkrieg, in den die Nationen ohne Sinn und Zweck hineingestolpert sind. Daher will ich mit einem Zitat von Hannah Arendt abschließen, das unterstreicht, warum nur das Gute siegen konnte.

Ich bin in der Tat heute der Meinung, dass das Böse immer nur extrem ist, aber niemals radikal, es hat keine Tiefe, auch keine Dämonie. Es kann die ganze Welt verwüsten, gerade weil es wie ein Pilz an der Oberfläche weiterwuchert. Tief aber, und radikal ist immer nur das Gute.

Hannah Arendt

Warum es ein gerechter Krieg war? Wegen einem Foto wie diesem, eines der wenigen, die in Auschwitz im September 1944 aufgenommen worden sind.

Sonderkommando Fotos

Linksammlung
Literaturtipps 2. Weltkrieg

Von Bismarck zu Hitler - Sebastian Haffner wird man kurz und plastisch informiert. Es zeigt auf die Wurzeln des III. Reiches, die ins Kaiserreich ragten. Auf den Punkt gebracht und Dank eines schwungvollen Schreibstils kurzweilig.

Anmerkungen zu Hitler - Das erste Buch, das ich von Sebastian Haffner gelesen hatte. Er kommt ohne Umschweife auf den Punkte und hat ein Talent dafür, die Wesentlichen Dinge herauszuarbeiten. Kurzweilig und lesenswert für Gesichichtsinteressierte.

Winston Churchill - Großartige Biographie über den englischen Premierminister Winston Churchill mit einigen interessanten Erkenntnissen. Nach der Lektüre des Buches wird einem deutlich, wie entscheidend sein Widerstand gegen Hitler war.

Am Hof des roten Zaren - Auf einer Buchliste über den 2. Weltkrieg sollte ein Werk über Stalin nicht fehlen. Ausführlich recherchiert mit vielen (zumindest mir vorher) unbekannten Details.

Russlands Krieg - Der 2. Weltkrieg war vor allem ein Krieg in Russland, wo die meinsten Opfer des Krieges zu beklagen sind. Das Buch ist sehr detailreich und hervorragend geschrieben.

Wendepunkte im 2. Weltkrieg - Ian Kershaw schält die Schlüsselmomente des 2. Weltkrieges heraus. Zum Beispiel, warum Italien nicht schon früher in Afrika aktiv geworden ist. Spannend unter militärhistorischen Gesichtspunkten

Höllensturz - Eine akurate Zusammenfassung der Ereignisse von 1914 bis 1949. Ian Kershaw bringt aber keine wesentlichen Erkenntnisse zutage. Die skizzierte Handlung sollte einem aufmerksamen Geschichtsschüler bekannt sein. Dennoch ob seiner Kohärenz ein wertiges Nachschlagewerk.

Deutsche Krieger - Ich habe es selbst nicht gelesen, jedoch eine Zusammenfassung gesehen. Der Historiker Prof. Sönke Neitzel ist meines Erachtens nach eine Instanz bei der Forschung zum 2. Weltkrieg. In diesem seinem jüngsten Buch thematisiert er auch, warum die deutschen Soldaten bis zum Ende kämpften.

Winter Männer - Der Autor beschriebt in diesem Roman anhand zweier Hamburger Brüder die Verstrickung des normalen Bürgers mit der Nazi-Maschinerie. Kein Wohlfühlbuch, jedoch gut geschrieben und lehrreich.

Bis das Auge bricht - Nichts für schwache Nerven. Die Autobiographie eines Österreichers, der als Soldat zur Ostfront eingezogen wurde. Hunger, Kälte und die Grausamkeit des Kriegs ungefiltert.

Der Freind steht im Osten - Ich habe es selbst nicht gelesen, jedoch eine Zusammenfassung gesehen. Der Autor verweist darauf, dass Hitler von Anfang an auf einen Krieg im Osten zugearbeitet hat und der Konflikt mit den (West)Alliierten ihn nur kurz von diesem Vorhaben abgehaltet hat.

Die Anatomie der menschlichen Destruktivität - Das Buch hatte ich bereits in der Schule gelesen, es ist somit zwar schon älter, aber Erich Fromm skizziert den Charakter Hitlers in einer klinischen Studie meines Erachtens nach recht präzise.

Stadt der Diebe - Eine russische Freundschauf per Zufall in den Wirren der Zeiten Weltkrieges. Humorvoll und erschreckend realistisch zugleich. Lesenwert auf jeden Fall.

Durchbruch bei Stalingrad - Der Roman wurde in Kriegsgefangenschaft geschrieben und galt lange Zeit als verschollen. Das Grauen von Stalingrad autentisch wiedergegeben von einem Beteiligten.

Alles Licht das wir nicht sehen - ein sehr schöner Roman über Frankreich im 2. Weltkrieg.

1941 - Der Auto Joachmi Käppner hebt das Jahr 1941 hervor, in dem aus einem europäischen Krieg ein neuer Weltkrieg wurde.

Zeitgeist - Das Buch zu diesem Blog.